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Petra Werner

Ernste Kunst kann nicht gedeihen ohne Gunst.* Mäzene und Unterstützer des Malers Albert Berg (1825–1884)

Abstract

Albert Berg (1825–1884) was the first director of the Silesian Art Museum in Breslau. He was supported by a network of sponsors, who advised him on planning his trips and bought paintings (or arranged purchases). A particularly important mentor beginning in 1849 was Alexander von Humboldt, also the singer Amalie Joachim. Berg made a number of important contacts with fellow students during his law studies in Bonn. He formed a particularly close relationship with Friedrich Franz II von Mecklenburg-Schwerin, who, in 1844, invited Berg to a journey. This expedition marked the beginning of a lifelong friendship. Friedrich Franz II bought numerous paintings from Berg and worked behind the scenes to organize Berg’s career.

Resumen

Albert Berg (1825–1884) fue el director del nuevo Museo Silesio de Arte de Breslau. Una red de protectores le apoyó materiel y moralmente. Un mentor particularmente importante fue, desde 1849, Alexander von Humboldt. Hay que mencionar como protectora a la cantante Amalie Joachim. Durante sus estudios de Derecho en Bonn, Albert Berg trabó relaciones estrechas con compañeros de estudios. Una relación especialmente estrecha le unió a Friedrich Franz II. de Mecklemburgo-Schwerin, a quien también había conocido en Bonn y quien en 1844 le invitó a un viaje. Esta expedición de varios meses marcó a Albert Berg no solamente como artista – como lo haría, más tarde, su expedición por América del Sur. También fue el comienzo de una amistad para toda la vida. Además de intercambiar opiniones sobre cuestiones artísticas, Friedrich Franz II. apoyó al pintor. No sólo adquirió cuadros suyos, sino que además intercedió por Albert Berg.

Streszczenie

Albert Berg (1825–1884) był od 1880 r. aż do śmierci dyrektorem Śląskiego Muzeum Sztuk Pięknych we Wrocławiu. Materialnie i moralnie wspierała go sieć mecenasów, którzy doradzali mu w planowaniu podróży, kupowali obrazy, organizowali zakupy. Szczególnie ważnym mentorem był od 1849 r. Alexander von Humboldt. Kolejnym zwolennikiem była śpiewaczka Amalie Joachim przyjęła tymczasowo malarza do swojego domu. Podczas studiów prawniczych w Bonn Albert Berg nawiązał kilka ważnych kontaktów z kolegami, m.in. z synem ministra kultury A. von Bethmann-Hollweg Felixem. Szczególnie bliskie stosunki łączyły Alberta Berga z Fryderykiem Franciszkiem II Meklemburgii i Schwerina, którego poznał również w Bonn i który zaprosił go w 1844 r. na wspólną podróż do Włoch i na Wschód. Ta kilkumiesięczna wyprawa była dla Alberta Berga nie tylko artystycznie formująca – podobnie jak późniejsza wyprawa do Ameryki Południowej – ale także dała początek przyjaźni na całe życie. Oprócz wymiany w sprawach artystycznych, Fryderyk Franciszek II pomagał malarzowi. Nie tylko kupował od niego liczne obrazy, ale także prowadził na jego rzecz zakulisową kampanię, pomagając m.in. w zorganizowaniu jego udziału w wyprawie Prusów do Azji Wschodniej.

Einleitung

Über den Maler Albert Berg (1825–1884), oft verwechselt mit seinem schwedischen Namensvetter (1832–1918), ist wenig bekannt. Der Künstler war zurückhaltend, trat in der Öffentlichkeit bescheiden auf und hinter sein Werk zurück, aber es gibt in vielen großen Museen Sammlungen seines umfangreichen und vielgestaltigen Œuvres. Zahlreiche Arbeiten, Zeichnungen und Ölgemälde sind aus den Beständen verschwunden, ihr Verbleib ist unbekannt.

Zwar wird der Name Albert Bergs in einigen Biographien anderer Personen wie beispielsweise der Sängerin Amalie Joachim, und ihres Mannes, dem Geiger Joseph Joachim, (Borchard 2007), und in einem Werk über die preußische Ostasien-Expedition (Dobson/Saaler 2011) erwähnt, auch gibt es einen informativen Wikipedia-Artikel über ihn, aber seine Biographie, seine zahlreichen Reisen und die Unterstützung durch Mäzene blieben bisher unbekannt. Was Alexander von Humboldt betrifft, so haben Renate Löschner (Löschner 1976) und die Autorin (Werner 2013) über Albert Bergs Wirken geschrieben.

Im vorliegenden Aufsatz wird auf der Basis von Archivstudien, u. a. der Auswertung seines Briefwechsels mit dem mecklenburgischen Großherzog Friedrich Franz II. sowie mit Amalie und Joseph Joachim Unterstützung durch Förderer beleuchtet. Das waren neben Alexander von Humboldt Friedrich Franz II., Amalie Joachim sowie Felix von Bethmann-Hollweg, Sohn des preußischen Kultusministers August von Bethmann-Hollweg, auch andere Personen, die Albert Berg halfen.

1 Frühe Förderung durch Alexander von Humboldt

Albert Berg lernte Alexander von Humboldt nach eigenen Angaben im Sommer 1849 in Berlin, wo beide wohnten, kennen. Anlass war die Begeisterung Albert Bergs für Humboldts Reise in die Tropen und dessen Publikationen, er fühlte sich durch ihn inspiriert, diese fremden Weltregionen zu besuchen. Berg plante, nach Südamerika zu reisen, die persönliche Begegnung mit Humboldt veranlasste ihn nun, seine Reiseroute zu ändern. Wie er in seinem 1877 geschriebenen Lebenslauf bekannte, hatte er, angeregt durch Humboldts Beschreibung Teneriffas, ursprünglich den Plan gefasst, eine Fahrt zu den Kanarischen Inseln zu machen, aber Humboldt schlug ihm vor, Südamerika direkt anzusteuern (Albert Berg, Notiz, Berlin, im Juni 1877. GStA PK, I. HA, VIII, Sekt. 50, Lit.3, Nr. 84, n. f., nach Werner 2022, 169).

Auf seiner Reise besuchte Albert Berg auch zahlreiche Gegenden, die sein Vorbild nicht erforscht hatte, darunter eine Azoreninsel, des weiteren Jamaika, Haiti, Puerto Rico und Barbados, er folgte aber vor allem den Fußstapfen Humboldts in Neu-Granada, dem heutigen Kolumbien (Werner 2022, 41 ff.). Die nach Bergs vor Ort angefertigten Skizzen ausgeführten Zeichnungen wie auch Druckgrafiken wurden z. T. veröffentlicht. Humboldt beurteilte einige davon vor der Publikation, erhielt von Albert Berg auch Probedrucke.1 Sie erregten Humboldts Interesse und waren eine der wichtigen Grundlagen des Austauschs zwischen beiden Weltreisenden. Wichtig war für Humboldt, was auch Albert Berg immer wieder als Anliegen betonte, die Authentizität oder „Naturwahrheit“ der Zeichnungen. Dieses Bestreben belegen die Skizzen im Skizzenbuch – obwohl es sich um Arrangements handelt und Berg die Landschaft keineswegs lediglich abbildete, können die meisten der Pflanzen, die Humboldt in „Ideen zu einer Geographie der Pflanzen nebst einem Naturgemälde der Tropenländer“ als 17 Grundformen aufgezählt hatte (Bananen, Palmen, baumartige Farnkräuter, Aloe, Pothos, Nadelhölzer, Orchideen, Mimosen, Malven, Reben, Lilien, Kakteen, Causuarien, Gras und Schilf, Laubmoose, Blätterflechten, Hutschwämme), identifiziert werden (Humboldt 1807. In: Beck 1989, 62–64). Hierbei war der Kontakt zu dem Botaniker Friedrich Klotzsch, den Humboldt vermittelt hatte, nützlich. So gibt es im Skizzenbuch Zeichnungen, die von anderer Hand, vermutlich der von Klotzsch, mit botanischen Namen beschriftet wurden (Werner 2022, 52). Bergs Zeichnungen wurden von dem bekannten Botaniker sehr gelobt, der empfahl sie sogar Fachkollegen zu Studienzwecken. Noch vor der Drucklegung bekam Humboldt fünf Probedrucke von Vegetationsansichten aus amerikanischen Urwäldern auf chinesischem Papier geschenkt, außerdem 13 weitere Blätter, die von Berg unter dem Titel „Urwaldansichten vom Magdalenenflusse und aus den Anden Neu-Granadas“ zusammengefasst wurden. Humboldt waren neben der Vegetation die Vulkandarstellungen wichtig, die Verknüpfung von Vulkanen und Urwald hielt er, wie seine wissenschaftlichen Arbeiten belegen, für landschaftsprägend, er erfand in diesem Zusammenhang den Begriff „Naturgemälde“. Besonders gefiel Humboldt Albert Bergs Tafel III mit dem Titel „Ein Urwald in circa 7000 Pariser Fuß Höhe, im Hintergrund der Tolima“.

Der Gelehrte erklärte sich bereit, für die englischsprachige Ausgabe von „Physiognomy of Tropical Vegetation in South America“ (Berg 1854a) eine Vorrede zu verfassen. Tatsächlich wurde in der Einleitung aus Humboldts zu diesem Zweck geschriebenen Brief ausführlich zitiert. Der Vulkan Tolima wurde von Albert Berg mehrfach motivisch aufgenommen, einige der Werke sind verloren gegangen (ermittelt u. a. nach der Verlustkartei des Kupferstichkabinetts Berlin, nach Werner 2022, 49, 57). Tafel III wurde zur Vorlage für einen größeren Auftrag, für ein Ölgemälde, den Humboldt Albert Berg verschaffen konnte, was in beider Briefwechsel eine Rolle spielte (Werner 2022, 52, 160). So teilte Humboldt am 13. 10. 1853 dem Maler mit, dass Friedrich Wilhelm IV. von Albert Berg ein Ölgemälde des Tolima wünsche (SB PK, HS, Nl. A. v. Humboldt, kl. Kasten 1b, Mappe 3, Nr. 24. Nach Werner 2013, 116–18 sowie Werner 2022, 160). In seinem Brief gibt Humboldt, der sich in einem gesonderten Werk ausführlich mit der charakteristischen Form von Vulkanen (Humboldt 1853) befasst hatte, sogar zeichnerische Anweisung zur Darstellung des Vulkans (Werner 2013, 116). Dieses Gemälde, so schrieb Humboldt am 1. Juli 1854 an Albert Berg, möge ein „Gegenstück“ zu dem von Ferdinand Bellermann geschaffenen Ölgemälde der Guacharo-Höhle darstellen (SB PK, HS, Nl. Alexander von Humboldt, kl. Kasten 1b, Mappe 3, Nr. 30, nach Werner 2022, 162) Für den Ankauf dieser Arbeit hatte sich Humboldt, der die Höhle während seiner Südamerika-Reise entdeckt und als Erster beschrieben hatte, ebenfalls eingesetzt. Bergs Ölbild des Tolima, das erhalten geblieben ist und noch heute im sogenannten Adjutanten-Zimmer im Schloss Charlottenburg2 besichtigt werden kann, weist Ähnlichkeit zur Druckgrafik dar. Beiden Darstellungen ist gemeinsam, dass der Blick des Betrachters durch eine kleine Lichtung auf den Vulkan Tolima gelenkt wird. Ein Vergleich von Druckgrafik und Ölgemälde lässt den Schluss zu, dass die Landschaft durch Berg frei gestaltet wurde und seine Bilder keineswegs eine, wie ihm Kunstkritiker zuweilen vorwarfen, überrealistische, fotografische Wiedergabe des Gesehenen darstellen. So ist der Vulkan auf dem Ölgemälde gegenüber der Druckgrafik vergrößert und noch deutlicher zu erkennen, die Vegetation dagegen gelichtet, die tropische Fülle reduziert. Zwar sind einzelne Pflanzen identifizierbar – so die auf beiden Bildern im Vordergrund links erkennbare Bananenstaude, aber die Konturen der typischen Pflanzen sind weniger präzise dargestellt. Im Vordergrund stand – wie offensichtlich von Friedrich Wilhelm IV. gewünscht – der Vulkan, der A. v. Humboldts Forschungsinteresse widerspiegelt.

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Abb. 1 und 2. In: Petra Werner (2022). Der reisende Maler Albert Berg (1825–1884). Mit Humboldts Augen durch die Welt, Berlin, 50–51, dort Abbildung 14 und 15. Mit freundlicher Genehmigung des Kupferstichkabinetts Berlin und der Gemäldesammlung der Staatlichen Schlösser und Gärten Potsdam.

 

Humboldt unterstützte Albert Berg als kluger Vermittler auch bei der Durchführung anderer Projekte, so half er ihm bei der Genehmigung und Finanzierung einer Reise nach Rhodos und Kleinasien und vermittelte, obwohl vereinbart war, dass alle Arbeiten einschließlich der Skizzen abzuliefern seien, weitere Ankäufe. So erwarb Friedrich Wilhelm IV. von dem jungen Maler ein Bild der brennenden Chimären aus Lykien. Dieses Erdgasfeuer, das sich auf einem 400 Meter hohen Hügel nahe der Stadt Olympos befindet, brennt seit Jahrtausenden, ohne zu verlöschen. Diese Erscheinung regte seit jeher zu Mythen an, so berichtete Homer (Homer 1972, Bd. 1, 174–179) vom feuerspeienden Mischwesen (laut Hesiod Tochter der Ungeheuer Echidna und Typhon), Chimaera genannt, mit Löwenkopf, dem Körper einer Ziege und dem Schwanz einer Schlange. Dieser Mythos hatte in der bildenden Kunst zu zahlreichen Darstellungen geführt, u. a. auf Vasen sowie als Bronzen (vgl. u. a. Boardman 1977, 160). Bedauerlicherweise gilt Albert Bergs vermutlich erste naturgetreue Darstellung dieses Phänomens als verschollen.

Kurz vor seinem Tod empfing der greise Gelehrte Alexander von Humboldt den jungen Gelehrten. Da bereits absehbar war, dass Wilhelm I., den Humboldt als neuen Regenten bezeichnete, welcher „der Kunst nicht besonders hold sei“ (SB PK, HS, NL Alexander von Humboldt, kl. Kasten 1b, Mappe 3, Nr. 28, nach Werner 2022, 164), Künstler nicht mehr fördern würde, sicherte Humboldt dem jungen Maler weitere Unterstützung zu. Auch für die Veröffentlichung der Ergebnisse der Reise nach Kleinasien setzte Humboldt sein Renommee ein, indem er einen Werbeprospekt Albert Bergs korrigierte.

Ein wichtiger Teil der Förderung Albert Bergs war auch die Vermittlung von Kontakten zu Wissenschaftlern, zum einen zu dem schon erwähnten Biologen Klotzsch, zum anderen – wegen der von Albert Berg aus Rhodos und Lykien mitgebrachten Mineralien – zu dem Mineralogen Gustav Rose. Darüber hinaus reichte Humboldt auch die von Albert Berg angefertigten Abklatsche griechischer Inschriften an den Philologen August Böckh weiter, der diese auswertete und seine Ergebnisse in der Preußischen Akademie vortrug. Eine Arbeit Albert Bergs über die „brennenden Feuer von Rhodos“ wurde, mit Kommentaren Alexander von Humboldts verse­hen, in einer renommierten wissenschaftlichen Zeitschrift (Berg und Humboldt 1854) veröf­fentlicht.

Die Anerkennung der „Naturwahrheit“ seiner künstlerischen Darstellungen durch Wissenschaftler und die Verknüpfung mit wissenschaftlichen Ausführungen, veranlassten Albert Berg dazu, sich selbst nicht nur als Maler zu verstehen, sondern bestärkte ihn in der Überzeugung, wie er es gegenüber Amalie Joachim ausdrückte, mehr als das zu sein.

2 Amalie Joachim und ihr Kreis

In diesem Sinne äußerte sich Albert Berg ohne nähere Erläuterung, als es nach einigen Jahren der Bekanntschaft mit dem Geiger Joseph Joachim und seiner Frau, der Altistin Amalie Joachim, zum Streit kam. Die Diva hatte Berg offensichtlich vorgeschlagen, doch mehr mit „seinesgleichen“ umzugehen, also bildenden Künstlern. Er antwortete ihr Ende 1875 auf ihren Brief:

Sie behaupten, ich müsse mit Künstlern umgehen. Meiner Ansicht nach geht man nicht mit Ständen sondern mit Menschen um, und, so lange man keine solchen findet, mit denen Einem ganz besonders wohl ist, mit solchen, mit denen man durch die zufällige Entwicklung der Lebensverhältnisse zusammengeführt wird. … Mein Umgang würde wahrscheinlich vorwiegend mit Künstlern sein, wenn ich zum Künstler erzogen wäre. Zufällig habe ich aber einen etwas weiteren Gesichtskreis und etwas ernstere Interessen, als die meisten Maler die mir vorgekommen sind …

(Brief Albert Berg an Amalie Joachim, Mittwoch früh, o. D., wahrscheinlich 1875/1876. Staatliches Institut für Musikforschung, PK, Doc. Orig. Albert Berg, Nr. 23, nach Werner 2022, 54).

Albert Berg und seine Frau hatten bei den Joachims Wohnung genommen, zogen dann aber 1876 um. Joseph Joachim war von Anfang an nicht begeistert gewesen, das Ehepaar in seinem Hause vorzufinden, aber Albert Berg gelang es zunächst, ihn zu beruhigen. Er machte sich – vermutlich gegen Vergütung – in der Familie nützlich, kümmerte sich um die zahlreichen Sprösslinge der Joachims (insgesamt hatten sie sechs Kinder), ging z. B. mit den Kindern in einen „Affenzirkus“, in den botanischen Garten usw. Auch begleitete er Amalie Joachim gelegentlich nach Aigen in der Nähe von Salzburg, wo sie ein Sommerhaus gemietet hatten, unternahm mit ihr – zusammen mit adeligen Freunden – Ausflüge in die Berliner Umgebung, die er von seinen malerischen Streifzügen her gut kannte (Werner 2022, 116). Berg begründete seine Nähe zur Familie mit seiner Liebe zu Kindern und mit seiner eigenen Kinderlosigkeit:

„Sie glauben nicht wie bittere Momente eine kinderlose Ehe hat, wenn nicht Mann und Frau einen gemeinsamen Punkt der Neigung und Verehrung haben, … wohltuendes, segensreiches Band mit Frau, Nanny ist ebenso gottergeben.“ (Brief Albert Bergs an Joseph Joachim o. D., wahrscheinlich Frühjahr 1870. Staatliches Institut für Musikforschung, PK, NL Joseph Joachim, Doc. Albert Berg, Nr. 1, nach Werner 2022, 122).

Offensichtlich bestand ein Vertrauensverhältnis, denn Albert Berg informierte die Joachims während des deutsch-französischen Krieges detailliert über seine intensiven Bestrebungen, in den militärischen Dienst einzutreten, die aber (s. u.) scheiterten. Berg war königstreu und schilderte ausführlich, wie sehr er sich bemühte, an neueste Informationen zu gelangen. Allerdings wurde seine anfängliche Kriegsbegeisterung durch die Einsicht gedämpft, dass viele Tote zu beklagen waren und viel Leid verursacht wurde. Dies schilderte er in einem sehr schönen Brief, der seine Qualitäten als Schriftsteller, die er bei der Abfassung des Textes der mehrbändigen Ausgabe des Reiseberichtes aus Rhodos und Lykien bereits bewiesen hatte, erneut bewies. Er litt darunter, vom Kampf ausgeschlossen zu sein und gegen seinen Willen fernab vom Kriegsgeschehen „bei den Weibern zu sitzen“.

Er empfand mit feinem Gespür, dass die Joachims ihn eigentlich loswerden wollten, was ihm aus verschiedenen, auch finanziellen, Gründen nicht recht war. Er kämpfte darum, in der schönen Wohnung des Joachim’schen Hauses bleiben zu dürfen, sprach davon, dass die Arbeiten, von denen er lebe, ihn für die nächsten Jahre an Berlin binden würden. Er habe sich die Frage zu stellen, ob er anderswo etwas mieten solle, aber das würde nur Aufsehen erregen und man hätte sich, wie er es ausdrückte, „nie genügend darüber rechtfertigen“ können. Wie diese Bemerkung gemeint ist, ist nicht klar, sie verfehlte aber zunächst nicht ihre Wirkung. Aus dem weiteren Verlauf der Korrespondenz entsteht der Eindruck, dass dieser Zustand für eine Weile toleriert wurde und der Künstler von den Joachims, die sich des Öfteren in England aufhielten, mit Arbeitsmaterialien versorgt wurde. So bat der Künstler um Zusendung von flachen Bleistiften in kleinen Blechbüchsen, bildete sie sogar in seinem Schreiben ab. Dieser Wunsch ist verständlich, denn, wie aus seinem Gesamtwerk ersichtlich ist, zeichnete er sehr oft mit Bleistift (Einzelheiten zu Arbeitsmaterialien siehe Werner 2022, 123).

Bis mindestens 1873 war Albert Berg im Haus der Joachims gemeldet. Sie unterstützten, wie ihre Korrespondenz belegt, einige Maler durch Ankäufe, zum Beispiel Friedrich Kaulbach, aber ob sie auch Werke Albert Bergs erwarben, ist nicht bekannt.

Berg wurde in den elitären Bekanntenkreis der Joachims aufgenommen, der sich z. T. mit dem Alexander von Humboldts, der im Mai 1859 verstorben war, überschnitt bzw. eine Fortführung alter Kontakte zu adeligen Familien darstellte. Die genaue Ursache für die Auseinandersetzungen, die 1875 zum endgültigen Bruch mit den Joachims führten, ist nicht bekannt, es scheint jedoch kein Zufall zu sein, dass der Streit gerade da einsetzte, als Albert Berg, der für sich stets das Beste beanspruchte und permanent unter Geldnot litt, seine Herausgabe der Bände zur Ostasien-Expedition abgeschlossen hatte und vom Staat nicht mehr die monatlichen 200 Taler Salär erhielt. Er durchlebte eine Phase tiefster Depression, weil er trotz zahlreicher Bemühungen – auch durch Präsentation seiner Werke auf Akademie-Ausstellungen – feststellen musste, dass durch die zehnjährige, intensive Arbeit am Bericht der Ostasienexpedition sein Kontakt zum „bildkaufenden Publikum“ verlorengegangen war. Seine Verzweiflung erreichte im November 1877 ihren Höhepunkt. In einem Brief, den er lediglich mit „Buß- und Bettag“ datierte, schrieb er an Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin.

3 Großherzog Friedrich Franz II.

Im Moment tiefster Verzweiflung trat Albert Bergs ältester Freund und Sponsor auf den Plan. Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin verschaffte, zusammen mit einem Netzwerk aus adeligen Freunden Albert Bergs, dem Maler eine Position im Staatsdienst, nämlich als Direktor des Schlesischen Kunstmuseums in Breslau (heute Wrocław). Leider konnte Albert Berg diese Position nicht lange ausfüllen, da er, von Jugend an schwer lungenkrank, bereits vier Jahre später verstarb.

Die Freundschaft zwischen Albert Berg und dem Großherzog hatte bereits in ihrer gemeinsamen Studienzeit an der „Fürstenuniversität“ in Bonn begonnen, wo beide Jura studierten. Dort lernte Albert Berg auch andere Kommilitonen kennen, die später hilfreich sein würden, so Felix von Bethmann-Hollweg, den Sohn des preußischen Kultusministers. Was den Großherzog betrifft, so sagte Berg später, dass ihm der Monarch bereits frühzeitig seine Aufmerksamkeit und Freundschaft geschenkt habe. Er bot ihm, dem Studenten, an, ihn auf eine mehrmonatige Südeuropa-Reise zu begleiten. Einzelheiten sind dem erst vor wenigen Jahren publizierten Reisetagebuch des Großherzogs zu entnehmen (vgl. Wiese 2014). Dort sind nicht nur die zahlreichen Reisestationen (u. a. in die Schweiz, Italien einschließlich Sizilien, Malta und andere) aufgezählt, sondern die Notizen des Großherzogs bezeugen auch das enge Verhältnis beider Männer und legen eine homoerotische Beziehung nahe. Albert Berg fertigte ein Skizzenbuch an, in welchem er wichtige Aufenthalte dokumentierte. Er meinte später, dass er den Wunsch gehabt hätte, dem Großherzog seine Arbeiten „zu Füßen zu legen“. Wahrscheinlich als Ausdruck tiefster Freundschaft und Verbundenheit nannte sich Albert Berg zuweilen „Albert Berg de Schwerin“. Er hatte in Friedrich Franz II. nicht nur einen Subskribenten aller seiner als Prachtbände erschienenen Bücher, sondern bis zum Lebensende auch einen zuverlässigen Käufer seiner Bilder gefunden. Der Großherzog erwarb u. a. Gemälde mit Motiven aus Kleinasien, darunter die Nekropole und das daneben befindliche antike Theater von Myra sowie die durch den russischen Zarenhof aufwändig restaurierte Kirche des Heiligen Nikolaus, aber auch eine Ansicht des Großmeisterpalastes auf Rhodos. Bleistiftzeichnungen befinden sich im Kupferstichkabinett zu Berlin. Ein Vergleich der Bleistiftzeichnungen Albert Bergs mit einem aktuellen Foto belegt, dass das antike Theater damals noch nicht vollständig freigelegt worden war.

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Abb. 3: Felsennekropole und das antike Theater zu Myra (Werner 2022, 78). Mit freundlicher Genehmigung des Kupferstichkabinetts Berlin.

 

Die lykischen Felsengräber von Myra bedecken steile Felswände. Sie sind mit architektonischen Fassaden verkleidet, die z. T. die Form hölzerner Blockhäuser aufweisen. Diese Gräber waren Ende des 19. Jahrhunderts für die Archäologen von großem wissenschaftlichem Interesse (vgl. Springer 1911, 76–77).

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Abb. 4 und 5: Felsennekropole und antikes Theater zu Myra im November 2021. Fotos: Petra Werner.

 

Dem „Vater aller Reisenden“ Humboldt war die enge Beziehung zwischen dem jungen Maler und dem Großherzog bekannt, wie zahlreiche Anspielungen im Briefwechsel zwischen ihm und Berg belegen. Humboldt nahm an Abendessen des Großherzogs und der königlichen Familie teil, war immer sehr genau informiert, wann Albert Berg beim Großherzog in Schwerin oder Ludwigslust sein würde. Berg war dem preußischen König, Friedrich Wilhelm IV., nicht nur durch seine Gemälde bekannt, sondern auch durch verwandtschaftliche Beziehungen zwischen den Hohenzollern und dem Haus Mecklenburg. Das galt auch für den damaligen Prinzen von Preußen und späteren preußischen König und Kaiser Wilhelm I.

Diese enge Beziehung zu Humboldt, zum Großherzog, zum preußischen Königshaus und seinen früheren Kommilitonen erwies sich mehrfach als sehr nützlich für den Maler. So konnte Albert Berg auch – trotz zahlreicher Bewerber und obwohl bereits ein Künstler, Wilhelm Heine, schon angeheuert war, an der mehrjährigen preußischen Ostasien-Expedition teilnehmen. Diese Entscheidung erwies sich als glücklich, Berg war an Bord sehr beliebt, erwies sich als hilfsbereit und nützlich, beispielsweise, indem er Kunstwerke, die als Geschenk für chinesische und japanische Gastgeber gedacht waren und durch den Transport gelitten hatten (vgl. Dobson/Saaler 2011, 125–126), wieder in einen respektablen Zustand versetzte. An Bord knüpfte er weitere für sich nutzbringende Kontakte, zum Beispiel zum Leiter der mehrjährigen Expedition, Friedrich zu Eulenburg.

Albert Bergs Werke wurden sehr geschätzt, unter anderem äußerte sich der Geologe Ferdinand von Richthofen sehr lobend, auch zum Charakter Albert Bergs, der sich anders verhielt als sein Konkurrent Wilhelm Heine. Heine war so schlecht gelitten, dass sein vorzeitiges Ausflaggen für die Mannschaft Anlass war, darauf mit Sekt anzustoßen. Im Gegensatz zu den Arbeiten anderer – zum Beispiel den Arbeiten Heines, der die Publikation seiner Reiseerinnerungen selbst finanzieren musste – wurden Bergs Arbeiten in mehrere der sieben Bände des Expeditionsberichtes aufgenommen. Auch dessen Fähigkeiten als Schriftsteller, die er bereits mit dem repräsentativen Rhodos-Band unter Beweis gestellt hatte, waren nun gefragt, weil andere Expeditionsteilnehmer entweder verstorben waren oder durch Teilnahme an Anschluss-Expeditionen nicht zur Verfügung standen. Diese Aufgabe überforderte Albert Berg zuweilen, allerdings wurde er mit 200 Talern monatlich knapp zehn Jahre lang sehr gut bezahlt. Als 1873 der letzte Band erschienen war und er feststellen musste, dass der Wegfall der Einnahmen trotz intensiver Bemühungen durch Bildverkäufe nicht ausgeglichen werden konnte, zudem die Joachims in ein repräsentatives Haus zogen, wodurch Berg und seine Frau gezwungen waren, umzuziehen, geriet er in eine Lebenskrise.

Berg schickte mehrere verzweifelte Briefe an den Großherzog und unternahm eifrigste Anstrengungen, eine Stelle im Staatsdienst zu bekommen. Wieder halfen alte adelige Freunde und der Großherzog – so gelang es Albert Berg, in den kleinsten Kreis der Bewerber für den Direktorenposten des neueröffneten Schlesischen Kunstmuseums vorzustoßen. Am Ende wurde er nach vielen Querelen ausgewählt. Berg konnte das Museum aufbauen und erhielt zahlreiche wertvolle Schenkungen und Vermächtnisse für den Bestand.

Der Kontakt zu seinem langjährigen Freund Friedrich Franz II. blieb bestehen – allerdings starb der Großherzog bereits 1883, Albert Berg ein Jahr später. Da er erst vier Jahre im Dienst gewesen war und noch keine Pensionsansprüche erworben hatte, gestaltete sich die Versorgung seiner Witwe schwierig. Zwar wurde zugunsten der Witwe in der Nationalgalerie zu Berlin eine Verkaufsausstellung organisiert, aber da der Verkaufserlös trotz hervorragender Rezensionen (Einzelheiten, vgl. Werner 2022, 154) von Kunsthistorikern unter den Erwartungen blieb, beantragte die Witwe eine Unterstützung, wandte sich nach Schwerin und an den preußischen König und deutschen Kaiser. Zunächst wurde der Antrag auf den „Dienstweg“ geschickt, zwischen den Behörden hin und her geschoben, aber auch da halfen alte Freunde – im Schlesischen Landtag wurde ein für die Witwe positiver Beschluss gefasst, den der Kultusminister mit Aufforderung zur Stellungnahme zurückschickte, weil er einen Präzedenzfall befürchtete und nach Prüfung der Einkünfte der Witwe der Meinung war, dass diese abgesichert sei. Der Vorsitzende des schlesischen Landtages beharrte jedoch auf seinem Pensionsvorschlag und begründete seine Entscheidung mit den Verdiensten Bergs. Am Ende bat die königliche Familie Graf Ferdinand von Harrach3, mit dem Albert Berg ebenfalls befreundet gewesen war, um Auskunft über die Vermögensverhältnisse der Witwe. Auf Grund der Aussage dieses Grafen Harrach entschied der preußische König und deutsche Kaiser per Erlass, dass die Witwe die Pension von jährlich 600 Talern zu bekommen habe, allerdings für einen befristeten Zeitraum. Die Zahlung wurde bis zum Tode von Nanny Berg im Jahre 1894 zweimal verlängert.

Literaturverzeichnis

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Boardman, John (1977): Schwarzfigurige Vasen aus Athen. Ein Handbuch (= Kulturgeschichte der antiken Welt Bd. 1). Mainz. Philipp von Zabern.

Borchard, Beatrix (2007): Stimme und Geige. Amalie und Joseph Joachim. Biographie und Interpretationsgeschichte. Wien/Köln/Weimar. Böhlau.

Dobson, Sebastian/Saaler, Sven (2011): Unter den Augen des Preußen-Adlers. Lithographien, Zeichnungen und Photographien der Teilnehmer der Eulenburg-Expedition in Japan, 1860–1861. München. Ludicium-Verlag.

Homer (1972): Illias, Buch 6. Berlin und Weimar. Aufbau-Verlag.

Humboldt, Alexander von (1807): Ideen zu einer Geographie der Pflanzen nebst einem Naturgemälde, auf Beobachtungen und Messungen gegründet, welche vom 10ten Grade nördlicher bis zum 10. Grade südlicher Breite, in den Jahren 1799, 1800, 1801, 1802 und 1803 angestellt worden sind von Al. Von Humboldt und A. Bonpland, bearbeitet und herausgegeben von dem Erstern. Tübingen und Paris. In: Beck, Hanno et al. (1989), S. 43–161.

Humboldt, Alexander von (1853): Geognostische und physikalische Erinnerungen. Mit einem Atlas, enthaltend Umrisse von Vulkanen aus den Cordilleren von Quito und Mexico. In: Kleinere Schriften. Bd. 1. Stuttgart, Tübingen, Cotta.

Löschner, Renate (1976): Lateinamerikanische Landschaftsdarstellungen der Maler aus dem Umkreis von Alexander von Humboldt. Berlin. Manuskriptdruck. TU Berlin.

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Werner, Petra (2013): Naturwahrheit und ästhetische Umsetzung. Alexander von Humboldt im Briefwechsel mit bildenden Künstlern. Beiträge zur Alexander-von-Humboldt-Forschung Bd. 38. Berlin. Akade­mie Verlag/de Gruyter.

Werner, Petra (2022): Der reisende Maler Albert Berg (1825–1884). Mit Humboldts Augen durch die Welt. Berlin. Trafo-Verlag.

Wiese, René, Herausgeber (2014): Vormärz und Revolution: die Tagebücher des Großherzogs Friedrich Franz II. von Mecklenburg Schwerin 1841–1854. Weimar/Köln/Wien. Böhlau.

* Vgl. u. a. Brief Albert Berg an Friedrich Franz II. vom 14. 07. 1873. In: Landeshauptarchiv Schwerin (Landesamt für Kultur- und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern), 2. 26-1/Grossherzogliches Kabinett II/Personalia, n. f. Nach Werner 2022, 85.

1 Die wurden 1860 mit seinem Nachlass veräußert.

2 Im Raum Nr. 206 sind auch zwei Gemälde Ferdinand Bellermanns ausgestellt.

3 Hier gab es verwandtschaftliche Beziehungen, Friedrich Wilhelm III. war in 2. Ehe mit Auguste Gräfin von Harrach, Fürstin von Liegnitz, verheiratet.

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