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Hendrik Böttcher

Humboldts Eskorte
Kontrolle und Sicherheit auf Alexander von Humboldts Russlandreise 1829

Zusammenfassung

Auf seiner Russlandexpedition von 1829 wurde Alexander von Humboldt fast durchgängig von Sicherheitskräften der Regierung begleitet. Die Forschung wies dieser Eskorte bisher vor allem eine Kontrollfunktion zu. Im Folgenden wird gezeigt, dass Humboldts bewaffnete Begleiter wahrscheinlich weniger der Überwachung, als der Absicherung seiner Expedition dienten. Der Artikel wirft dafür einen Blick auf die Sicherheitslage im Umfeld der Russlandreise, die Eskorte an sich sowie ihre letztendlich eng begrenzten Möglichkeiten zur Kontrolle des Wissenschaftlers. An Material stehen dafür unter anderem Humboldts Reisekorrespondenz, der Reisebericht seines Gefährten Gustav Rose und die erst jüngst veröffentlichten Tagebücher Christian Gottfried Ehrenbergs zur Verfügung.

Abstract

During his expedition to Russia in 1829, Alexander von Humboldt was almost constantly accompanied by government security forces. Studies in the past have usually seen this escort as an attempt to control the liberal researcher. This article shows that his armed company was probably meant to protect Humboldt rather than to supervise him. Therefore, the article analyzes potential threats on the route of the expedition, how the escort adapted to them and how far the guards would have been able to control him anyway. The most important sources are Humboldt’s written communication, the travel account by his friend Gustav Rose and the recently published diaries of his companion Christian Gottfried Ehrenberg.

Resumen

Durante su expedición a Rusia en 1829, Alexander von Humboldt estuvo acompañado casi en todo momento por fuerzas de seguridad del gobierno. La literatura científica interpreta este dato, normalmente, como un intento de control hacia el investigador liberal. En contraposición, el presente artículo sugiere que la compañía armada de Humboldt servía probablemente más como protección del viajero. Para demostrarlo analiza las posibles amenazas que podían haber sucedido en el camino de la expedición, las reacciones de la escolta y por la otra parte sus limitadas capacidades de control. Los correos del mismo Humboldt resultan ser las fuentes más importantes de esta investigación, en las cuales se focaliza, así como los relatos de su compañero Gustav Rose y los muy recientemente publicados diarios de Christian Gottfried Ehrenberg.

Einleitung

Alexander von Humboldts Russlandreise stellt in vielerlei Hinsicht das Gegenstück zu seiner Amerikaexpedition dar. Der wohl größte Unterschied besteht in der Nähe des Wissenschaftlers zur politischen Führung der besuchten Länder. In der Neuen Welt hatte er sich verhältnismäßig selbstständig, aber auch auf eigene Kosten bewegt. Sein Aufenthalt in Asien wurde hingegen nicht nur von der russischen1 Krone finanziert, sondern von ihr auch maßgeblich mitbestimmt. Die Forschung geht in diesem Zusammenhang allgemein davon aus, dass Humboldt auf seiner Reise einer umfassenden Kontrolle unterlag. Diese, so nimmt man an, wurde nicht zuletzt durch seine fast durchgängig anwesenden bewaffneten Begleiter ausgeübt.2

Gründe für eine Überwachung gab es genug. Nach seiner Amerikareise hatte Humboldt scharfe Kritik an den sozialen Verhältnissen in den spanischen Kolonien geübt. Die Zustände vor allem jenseits des Urals ließen nun auf kein milderes Urteil hoffen. Insbesondere die zahlreichen Verbannten lebten in Sibirien teils unter schwierigen Bedingungen. Zu denken ist hier nicht zuletzt an die Teilnehmer des erst wenige Jahre zurückliegenden Dekabristenaufstandes,3 denen Humboldt in seiner Weltanschauung näher stand als dem russischen Zaren. Hinzu kam die in Russland allgegenwärtige Leibeigenschaft, die dem liberalen Forscher zwangsläufig missfallen musste. Nimmt man den unter Nikolaus I. ohnehin hohen Grad an staatlicher Überwachung in Russland hinzu, ist die Annahme einer permanenten Kontrolle Humboldts mehr als naheliegend.4

Andere mögliche Gründe für die Anwesenheit von Sicherheitskräften auf der Reise wurden dabei bisher häufig außer Acht gelassen. Im Folgenden soll nun gezeigt werden, dass Humboldts bewaffnete Begleiter wahrscheinlich weniger der Überwachung, als dem Schutz der Expedition dienten. Dafür muss zunächst ein Blick auf die Gefährdung Humboldts in Russland geworfen werden. Anschließend soll nachgewiesen werden, dass Humboldts Begleiter in ihrer Zahl und Zusammensetzung für eine Absicherung der Reise zwar gut, für eine Kontrolle hingegen kaum geeignet waren.

Zur Erforschung von Humboldts Russlandreise stehen heute zahlreiche gut zugängliche Quellen zur Verfügung. Die wichtigsten davon sind seine vor und während der Expedition geschriebenen Briefe, der von seinem Begleiter Gustav Rose verfasste Reisebericht und das jüngst veröffentlichte Reisetagebuch Christian Gottfried Ehrenbergs. Insbesondere die Reisekorrespondenz gibt hilfreiche Aufschlüsse über den Verlauf der Expedition. Humboldt berichtete darin unter anderem seinem Bruder Wilhelm in einem persönlichen Austausch zeitnah von den Geschehnissen unterwegs. Obwohl der Forscher von einer Kontrolle seiner Briefe ausgehen musste und bestimmte Themen daher vermied, findet sich doch eine Vielzahl von Hinweisen auf die Funktion seiner bewaffneten Begleiter.5

Die Fachliteratur ist nicht zuletzt aufgrund der Prominenz des Forschers sehr umfangreich. Insbesondere Ottmar Ette, Christian Suckow und Oliver Lubrich haben sich in den letzten Jahren mit der Russlandreise beschäftigt. Bezüglich der russischen und sibirischen Geschichte sind mit Blick auf Humboldts Expedition die jüngeren Publikationen von Dittmar Dahlmann, Igor Naumov und Roman Fedorov hervorzuheben.6 Die Untersuchung der Funktion Humboldts bewaffneter Begleiter ermöglicht dabei nicht nur eine neue Perspektive auf die zweite große Expedition des Forschers, sondern auch auf die grundsätzliche Bedeutung von Schutz und Kontrolle bei Reisen im Zarenreich.

Auf Reisen in Russland

Seit seiner Rückkehr aus Amerika wünschte sich Alexander von Humboldt, eine weitere große Expedition unternehmen zu können. Diese sollte ihn nach Asien führen und Vergleichsmöglichkeiten zur Neuen Welt eröffnen. Die Umstände ließen das allerdings zunächst nicht zu. Die erste Reise hatte seine finanziellen Mittel erschöpft, die Aufarbeitung des amerikanischen Projekts dauerte länger als vorhergesehen, die politischen Bedingungen waren ungünstig und der preußische König wünschte die Anwesenheit des Wissenschaftlers in Berlin.7

Umso mehr freute sich Humboldt, als ihm der russische Finanzminister Georg von Cancrin 1827 das Angebot machte, auf Kosten der Krone das Zarenreich zu besuchen. Die russische Regierung versprach sich davon, neben einem Prestigegewinn durch die Anwesenheit des prominenten Forschers, auch Anregungen für die Verbesserung des Bergbaus im Ural und in Sibirien. Im ausgehenden 18. Jahrhundert war Russland noch der wichtigste europäische Stahlproduzent gewesen. Nun drohte es zunehmend den Anschluss an die sich modernisierende ausländische Produktion zu verlieren. Gleichzeitig wurden in Russlands Osten regelmäßig neue Lagerstätten verschiedener Metalle entdeckt. In St. Petersburg nahm man das zum Anlass für eine verstärkte Beachtung der sibirischen Wirtschaft.8

Es lässt sich außerdem nicht ganz ausschließen, dass der Finanzminister Humboldt seine Russlandreise auf Bitten des preußischen Hofes ermöglichte. Friedrich Wilhelm III. könnte, so überlegt beispielsweise Tobias Kraft auf Grundlage später veröffentlichter Berichte, daran gelegen gewesen sein, den politisch unbequemen Wissenschaftler für eine Weile aus Preußen zu entfernen.9 Andererseits war Humboldt aber erst kurz zuvor nach Berlin gerufen worden und blieb auch längst nicht so lange in Asien, wie er es sich gewünscht und wie Cancrin ihm vorgeschlagen hatte.10

Humboldt nahm das Angebot zu einer „Sommerreise nach dem Ural11 begeistert an und brach Mitte April 1829 gemeinsam mit seinem Diener Johann Seifert, dem Mineralogen Gustav Rose und dem Zoologen Christian Gottfried Ehrenberg von Berlin nach St. Petersburg auf. Nach einer zügigen Reise über Königsberg und Polangen erreichte er am 1. Mai die russische Hauptstadt. Dort wurde Humboldt dem Zaren und dem Hof vorgestellt. Er bekam zwei eigens für die Expedition angefertigte Reisewagen gestellt und kaufte noch einen weiteren hinzu. Cancrin gab Humboldt ferner einen Koch, mindestens einen weiteren Diener, einen Kurier der Post sowie den Bergbeamten Dmitrij Stepanovič Men’šenin mit. Letzterer sollte die Expedition nicht nur als zusätzlicher Experte begleiten, sondern auch als Dolmetscher dienen. Hinzu kamen später auf einzelnen Abschnitten noch andere Mitreisende sowie eine ständig wechselnde bewaffnete Eskorte. Am 20. Mai verließ die nun vollständige Expedition St. Petersburg in Richtung Moskau. Von dort fuhren die Wissenschaftler entlang der gut ausgebauten Fernverbindungen über Kasan, Tobolsk und Barnaul bis zum chinesischen Grenzort Baty. Unterwegs hatten sie nicht nur mit aufgeweichten Wegen und Hochwasser zu kämpfen, sondern auch mit Krankheiten12 und großen Mengen von Stechmücken. Mit ihren Reisewagen nutzten sie die Stationen der russischen Post zum Wechseln der Pferde und legten damit in kurzer Zeit weite Strecken zurück. Nachts schliefen sie entweder in Herbergen, den Kutschen oder als Gäste bei der lokalen Oberschicht. In einzelnen Gegenden wie dem Ural blieb Humboldt mehrere Wochen, unternahm Exkursionen und begutachtete den örtlichen Bergbau. Nach einem Rückweg über Omsk, Orenburg und Astrachan erreichte er am 13. November 1829 wieder die russische Hauptstadt.13

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Auf unsicheren Wegen

Anders als es Cancrin Humboldt noch während der Expeditionsvorbereitungen versichert hatte,14 waren ausgedehnte Reisen durch Russland und Sibirien im frühen 19. Jahrhundert keinesfalls ungefährlich. Dass auch Humboldt 1829 zahlreichen Bedrohungen ausgesetzt war, wird besonders beim Blick auf die von ihm durchquerten Gebiete deutlich. So schrieb er seinem Bruder am 10. September aus Zlatoust: „Nous avons parcouru toute la ligne des Cosaques de lʼIrtisch, en longeant la Steppe des Kirguises […].“15 Die von Humboldt erwähnten Kasachen16 lebten vor allem südlich des Irtysch meist als Nomaden und setzten sich aus zahlreichen, oft untereinander verfeindeten Stämmen zusammen.17 Seit Beginn des 19. Jahrhunderts hatte sich die russische Regierung um eine stärkere Integration dieser Völker bemüht. Die damit verbundenen Maßnahmen, beispielsweise die Zerstörung der traditionellen Herrschaftsstrukturen, wirkten sich zunächst allerdings nachteilig auf die Stabilität im südlichen Sibirien und am Uralfluss aus.18

Hinzu kamen Spannungen zwischen den Kasachen und den ebenfalls nicht uneingeschränkt russischer Kontrolle unterworfenen sibirischen Kosaken. Letztere konkurrierten mit ihren Nachbarn um nutzbares Land und plünderten, Verboten zum Trotz, hin und wieder Landstriche südlich der Grenze. Die dort lebenden Nomaden erwiderten die Angriffe meist, sodass es auch zur Zeit von Humboldts Russlandreise noch regelmäßig zu Kämpfen kam. Insbesondere den Grenzabschnitt zwischen Orsk bis Orenburg beschreibt Humboldts Begleiter Rose als sehr gefährlich. Nicht selten kam es hier zu Überfällen durch kasachische Krieger. Da Konflikte in der Steppe oft durch gegenseitige Geiselnahmen ausgetragen wurden, war die Expedition besonders gefährdet. Für die Wissenschaftler um Humboldt hätte man ein erhebliches Lösegeld oder Zugeständnisse erwarten können, während ein russischer Gegenschlag im Sommer 1829 unwahrscheinlich war.19

Eine weitere Gefahr für die Expedition ging von sibirischen Banditen aus. Die Perspektivlosigkeit20 weiter Teile der sibirischen Gesellschaft und die schwache Präsenz des russischen Staates begünstigten im frühen 19. Jahrhundert die organisierte Kriminalität. Besonders in den Sommermonaten sammelten sich zahlreiche Räuber entlang der Fernstraßen und in der Nähe der westsibirischen Städte. Davon waren besonders die Orte Tjumen und Kainsk betroffen. So bildeten sich beispielsweise vor Tjumen im Sommer regelmäßig große Lager von Räubern, gegen die die Regierung kaum vorgehen konnte.21 Beide Städte durchquerte die Expedition im Juli 1829.22

Humboldt war nicht nur wegen eines erwartbaren Lösegeldes ein geeignetes Ziel für einen Überfall. Vor seiner Abreise aus Jekaterinburg hatte er seinem Bruder noch mitgeteilt: „On mʼa porté au lieu de 10,000, 20,000 roubles de ces assignats. […] Nous avons dépensé en 2 mois près de 2,800 r jusquʼici dans lʼintérieur.“23 Zur Reisekasse kamen noch die Summen, die die anderen Mitreisenden bei sich trugen, sowie die wissenschaftlichen Instrumente und die Kutschen an sich.24

Der Kontakt mit dem chinesischen Militär stellte ebenfalls ein Risiko für die Expedition dar. Am 13. August verließ Humboldt die russische Grenzfestung Ust-Kamenogorsk und erreichte vier Tage später den ersten chinesischen Vorposten in Baty, wo er vom dortigen Befehlshaber empfangen wurde. Dieser war in Humboldts Augen „ein recht gebildeter in Seide gekleideter chinesischer Officier mitten unter zerlumpten Mongolischen Soldaten Gesindel.“25 China konkurrierte zur Zeit von Humboldts Expedition mit Russland um die Vorherrschaft in Zentralasien. Gerade im Altai gab es unklare Grenzverläufe und Spannungen zwischen Russland und dem Reich der Mitte. Noch im ausgehenden 18. Jahrhundert hatten chinesische Heere mehrfach Ust-Kamenogorsk und Semipalatinsk belagert.26 Obwohl die Lage im Altai 1829 ruhig genug für einen Besuch war, konnte die russische Regierung Zwischenfälle kaum ausschließen.27

Alexander von Humboldts Besuch in Baty fand innerhalb dieses Spannungsverhältnisses statt. Das zeigte sich besonders deutlich an seinen wissenschaftlichen Untersuchungen im Grenzgebiet. Statt verschiedene Messungen in Baty selbst zu unternehmen, hielt Humboldt bewusst Abstand zu chinesischen Siedlungen und bemühte sich danach um eine zügige Rückreise. Oliver Lubrich interpretiert diese Vorsicht überzeugend vor dem Hintergrund der russisch-chinesischen Beziehungen: „Der Forscher bewegte sich am Rande des Spionageverdachts.“28

Humboldts Wachen

Alexander von Humboldt war während seiner Russlandreise also mehreren ernstzunehmenden Gefahren ausgesetzt. Diese abzuwehren lag nicht nur in seinem eigenen Interesse, sondern auch in dem der russischen Regierung. Wäre dem Forscher im Herrschaftsgebiet des Zaren etwas zugestoßen, hätte das dessen Ansehen massiv geschadet. Gleiches galt für die Befehlshaber vor Ort. Hätte man Humboldt in ihrem Verantwortungsbereich überfallen, festgehalten oder entführt, wäre das auch für sie nicht folgenlos geblieben.

Waren Humboldts Begleiter aber auch geeignet, den Bedrohungen der Reise entgegenzutreten? Hinsichtlich der Absicherung der Expedition ist zunächst an die russische Verwaltung und Polizei zu denken. Letztere erwähnte Humboldt bei seinem Besuch in Jekaterinburg gemeinsam mit fest aufgestellten Wachen.29 Im Sibirien konnten Polizei und Straßenposten allerdings nicht zuletzt wegen der schwachen Stellung der Verwaltung und der Weitläufigkeit des Landes kaum noch den Schutz der Reisenden sicherstellen.30 Am 4. August berichtete Humboldt seinem Bruder aus Barnaul stattdessen von einer deutlichen Aufstockung des militärischen Begleitschutzes:

Leider vermehrt die grosse und allzugütige Sorgfalt der Regierung für unsere Sicherheit täglich unsere Begleitung. […] heute Abend erscheint auf einmal mit seiner suite der commandierende General (H. v Litrinof) von Tomsk, der uns, 1500 W lang längs der Grenzfestungslinie, selbst bis Omsk begleiten soll.31

Genauere Auskunft über diese Eskorte gibt sein Schreiben vom 13. August aus Ust-Kamenogorsk: „Le Général Litrinof, qui commande sur toute la ligne contre les Kirgises, nous accompagne lui-même avec force de Cosaques.“32 Aleksandr Narkizovič Litvinov war 1829 als Generalmajor in Tomsk stationiert.33 Ab Barnaul schützte er die Expedition mit einer Abteilung Kosaken. Bei der sich anschließenden Reise entlang der südrussischen Festungsgürtel begleiteten diese die Forscher jeweils von einer Festung zur nächsten und wurden dann ausgewechselt.34

Auffällig ist hier, dass Litvinov explizit für die Reise entlang der unsicheren Südgrenze zur Expedition stieß. Humboldts Begleitung passte sich insofern der Gefahrenlage an. Auch der Rückgriff auf Kosaken ist an dieser Stelle bemerkenswert. Die kosakischen Gemeinschaften Westsibiriens hatten sich zunächst als heterogene Gruppen europäischer und asiatischer Einwanderer gebildet. Verbindendes Element war meist die Durchsetzung gemeinsamer Interessen beispielsweise gegenüber den Kasachen, aber auch der russischen Regierung.35

Letztere hatte sich in den vorangegangenen Jahren um eine bessere Kontrolle und Einbindung der Kosaken bemüht. Im Gegenzug für Steuererleichterungen übernahmen die Gemeinschaften Sicherungsaufgaben vor allem im Umfeld größerer Siedlungen und an der Südgrenze. Orte wie das von Humboldt besuchte Semipalatinsk verfügten über große Kosakenvorstädte. Unmittelbar vor Humboldts Russlandreise waren vermehrt Kosaken aus den Städten an die Grenzen verschoben und dort Kosakenregimenter gebildet worden. Diese schrittweise Eingliederung verlief nicht ohne Konflikte. Ende des 18. Jahrhunderts hatte es im Südwesten Sibiriens mit dem Pugačevaufstand eine schwere Erhebung der am Ural ansässigen Kosaken gegen die Regierung gegeben, bei der weite Landstriche verwüstet wurden.36 Auch im frühen 19. Jahrhundert waren Raubüberfälle und Auseinandersetzungen der Kosaken mit der russischen Regierung keine Seltenheit.37

Dennoch boten sich Kosaken zur Absicherung der Expedition an. Obwohl das Beispiel von Ust-Kamenogorsk auch eine nennenswerte Präsenz von regulären Soldaten zeigt,38 waren Kosaken in Litvinovs Zuständigkeitsbereich doch die dominierenden Sicherheitskräfte. Zudem waren sie in der jüngeren Vergangenheit den Kasachen gegenüber offensiver aufgetreten als es der Petersburger Politik entsprach. Das konnte von einem Angriff auf eine Kosakengruppe besonders abschrecken. Ferner war eine Begleitung durch einheimische Bewaffnete, deren Loyalität vorausgesetzt, in Anbetracht der bestehenden Spannungen zwischen Regierung und Kosakengemeinschaften für Humboldts Sicherheit vorteilhafter als eine rein europäische Eskorte. Auch im späteren Verlauf der Reise blieben Kosaken das Rückgrat von Humboldts bewaffneter Begleitung. Als Gustav Rose am Morgen des 20. September von Orsk nach Orenburg aufbrach, ritt er dabei, ebenso wie der vorausreisende Humboldt am Tag zuvor, „begleitet von einigen Kosaken, die uns vor etwaigen Ueberfällen der Kirgisen schützen sollten“39.

Bereits in Tobolsk hatte sich Humboldts Expedition auf Veranlassung des westsibirischen Generalgouverneurs Ivan Aleksandrovič Vel’jaminov in bemerkenswerter Weise vergrößert. Von dort schrieb er am 24. Juli seinem Bruder: „Le Gouv général de Tobolsk nous fait accompagner pendant 1 mois par un aide de camp et 2 Cosaques.“40 Der Offizier war Dmitrij Nikolaevič Ermolov, ein Verwandter des bekannten Generals Aleksej Petrovič Ermolov. Dmitrij Ermolov war seit 1827 mit Velʼjaminov in Tobolsk gewesen und bekleidete bei Humboldts Durchreise mit 24 Jahren den Rang eines Oberleutnants. Gemeinsam mit Litvinov begleitete er Humboldt später nach Baty.41

Ermolov stieß in einem nicht ungefährlichen Gebiet zur Expedition. Eine Eskorte von nur drei Personen muss daher auf den ersten Blick klein erscheinen. Dabei darf allerdings nicht außer Acht gelassen werden, dass sowohl Ermolov als auch Litvinov Humboldt schon durch ihre bloße Anwesenheit schützen konnten. Während die europäischen Forscher potentiellen Angreifern, seien es Räuber, chinesische Soldaten oder kasachische Krieger, mit ziemlicher Sicherheit unbekannt waren, musste die Anwesenheit der in Sibirien stationierten Offiziere diesen die Bedeutung der Reisenden vor Augen führen. Angreifer mussten davon ausgehen, dass ein Überfall nicht folgenlos bleiben würde. Das galt insbesondere für diejenigen Kriminellen, die selbst Teil des russischen Sicherheitsapparats waren. Auch den chinesischen Soldaten konnte so verdeutlicht werden, dass ein Festhalten der Wissenschaftler weitreichende Auswirkungen haben würde.

Humboldt ließ sich während seiner Reise nicht nur widerwillig vom russischen Militär begleiten, sondern suchte auch bewusst dessen Nähe. Deutlich wird das an der Wahl seiner Route im russisch-kasachischen Grenzgebiet. In einem Brief aus Omsk vom 27. August erläuterte Humboldt Georg von Cancrin in aller Kürze die in den letzten Tagen gefahrene Strecke. Dabei schrieb er unter anderem: „[…] die Irtisch Linie lang durch reinliche Kosakken Dörfer nach Semipalatna (dort 1 Tag) und Omsk.“42 Die Irtyschlinie bildete im frühen 19. Jahrhundert einen wichtigen Teil der russischen Südgrenze zu den Kasachen. Sie bestand im Kern aus einer Kette kleinerer und mittlerer Festungen, die durch gut ausgebaute Wege verbunden waren. Im Westen schlossen sich weitere befestigte Grenzabschnitte und schließlich die Urallinie mit Orsk und Orenburg an. Allein zu der hier verlaufenden Oberen Orenburger Linie gehörten dabei 17 Festungen und 24 Redouten.43 Oft stellten die sibirischen Grenzfestungen das Zentrum wachsender Ansiedlungen dar und sicherten Märkte und den regionalen Handel ab. Dabei konnten die Anlagen meist nur ihrem unmittelbaren Umkreis Schutz bieten. Eine Beherrschung der Steppe in ihrer Fläche war durch sie nicht möglich.44

Ein erster Beleg für einen Aufenthalt Humboldts in einer Grenzfestung findet sich in einem Schreiben an seinen Bruder vom 13. August. Obwohl der Brief verhältnismäßig kurz gehalten ist, beginnt er mit einer für die Reisekorrespondenz ungewöhnlich ausführlichen Ortsangabe: „Fortin de Ust-Kamenogorsk sur la frontière de la Step des Kirgises, le 1/13 Août 1829.“45 Im Gegensatz zu vielen zuvor besuchten befestigten Orten erwähnte Humboldt hier explizit, dass es sich um eine Festung handelte, und zwar eine an der Steppengrenze zu den Kasachen. Die Festung von Ust-Kamenogorsk, das Zentrum des heutigen Öskemen in Kasachstan, bestand bereits seit 1720 als Grenzposten am Rande des Altai. Von hier aus ließ sich ein wichtiger Zugang zur Irtyschniederung kontrollieren. Insgesamt lebten bei Humboldts Besuch ungefähr 2.000 Menschen in Ust-Kamenogorsk. 1829 war der Ort nur schwach mit Palisaden, Wallanlagen und spanischen Reitern befestigt. Damit unterschied sich die Stadt nicht sonderlich von anderen russischen Grenzfestungen. Dennoch konnte sie wie die anderen Anlagen der Irtyschlinie Humboldt zumindest vorübergehend Schutz bieten. So folgte die Expedition im Anschluss noch über mehrere Wochen hinweg den sibirischen Festungsgürteln nach Westen. Ust-Kamenogorsk selbst wählte Humboldt als Ausgangspunkt für seine Exkursion an die chinesische Grenze und ließ währenddessen Teile seiner Ausrüstung hinter den sicheren Palisaden zurück. Dass die Forscher die befestigten Orte nicht lediglich zur bequemeren Übernachtung aufsuchten, verdeutlicht ein Tagebucheintrag von Ehrenberg. Am 16. August notierte er: „Nachts Ankunft in Krasnojarsk[,] ein Cosaken Posten am Irtisch. Wir schlafen in den Wagen[.]“46

Grenzen der Kontrolle

Humboldts Begleiter waren also durchaus in der Lage, den auf der Reise drohenden Gefahren zu begegnen. Auf der anderen Seite waren sie zur Überwachung, oder auch nur der Vermittlung eines Gefühls von Kontrolle, nur sehr bedingt geeignet. Das lag nicht zuletzt an ihrer personellen Zusammensetzung. Ähnlich wie die Kosaken fühlten sich auch die in Sibirien tätigen Offiziere den Interessen der Petersburger Regierung nur eingeschränkt verbunden. Besonders eindrücklich zeigt sich das an Humboldts Exkursion zur chinesischen Grenze. Auf diesem Weg wurden die Wissenschaftler von Stepan Michajlovič Semenov begleitet. Dieser gehörte zu den Dekabristen, die nach ihrem erst vier Jahre zurückliegenden Aufstand gegen Nikolaus I. größtenteils nach Sibirien verbannt worden waren. An einem Austausch zwischen Humboldt und Semenov konnte der Regierung nicht gelegen sein. Dennoch begleitete der Dekabrist die Forscher mit Billigung der anwesenden russischen Offiziere und des seinerseits strafversetzten Kommandanten von Ust-Kamenogorsk.47

Im September 1829 traf Humboldt außerdem auf den polnischen politischen Verbannten Jan Witkiewicz. Dieser war als Jugendlicher nach Sibirien gebracht worden und diente dort seitdem als Soldat. Humboldt tauschte sich intensiv mit ihm aus und setzte sich beim Zaren später erfolgreich für eine Verbesserung seiner Lebensumstände ein. Auch sonst hätte man den Forscher nur schwerlich von der sozialen Realität jenseits des Urals abschirmen können. Das lag nicht zuletzt daran, dass insbesondere die zahlreichen Bergwerksbesuche den Kontakt mit dort eingesetzten Zwangsarbeitern unvermeidlich machten. Außerdem musste die Expedition zur zügigen Fortbewegung dieselben Fernverbindungen nutzen wie die Verbannten auf ihrem Weg nach Sibirien. Nach Roses Schilderung traf Humboldt schon kurz hinter Kasan auf einen solchen Transport:

Er bestand aus Frauen und Mädchen, etwa 60–80 an der Zahl. Sie gingen frei, waren also nur leichtere Verbrecher; schwerere, wie wir dergleichen auf der Fortsetzung unserer Reise begegneten, gehen zu beiden Seiten eines langen Taues, an welches sie mit einer Hand befestigt sind.48

Eine vollständige Überwachung Humboldts musste unter diesen Umständen auch der russischen Regierung illusorisch erscheinen. Ferner konnte man in St. Petersburg davon ausgehen, dass Humboldt die wichtigsten sozialen Missstände ohnehin bekannt waren. Dort verfolgte man daher einen anderen Ansatz. In einem Bericht über seine und Ehrenbergs Forschungen hatte Humboldt schon am 17. Juli 1829 angekündigt, es verstehe sich von selbst,

daß wir uns beide nur auf die todte Natur beschränken und alles vermeiden was sich auf Menschen Einrichtungen Verhältnisse der untern Volks-Classen bezieht: was Fremde, der Sprache unkundige, darüber in die Welt bringen, ist immer gewagt, unrichtig u bei einer so complicirten Maschine, als die Verhältnisse und einmal erworbenen Rechte der höheren Stände und die Pflichten der untern darbieten aufreizend ohne auf irgend eine Weise zu nützen.49

Cancrin pflichtete ihm in seinem Antwortschreiben vom 31. Juli ausdrücklich bei und fügte hinzu, „laute Klagen“50 führten zu nichts. Humboldt solle von der Untersuchung politischer Verhältnisse Abstand nehmen und Gedanken dazu zunächst mit ihm teilen. Statt auf eine vollständige Abschirmung, baute Cancrin also auf eine Zusammenarbeit mit dem auf ihn angewiesenen Forscher.51

Ergebnis

Alexander von Humboldt war auf seiner Russlandexpedition verschiedenen Gefahren ausgesetzt. Dazu gehörte die Bedrohung durch Banditen ebenso wie denkbare Verwicklungen bei seinem Besuch in China und die Möglichkeit eines Überfalls an der russischen Südgrenze. Seine Eskorte passte sich diesen Umständen regelmäßig an. Auf besonders gefährdeten Abschnitten begleitete zusätzliches Militär die Expedition, Festungen ermöglichten sichere Übernachtungen. Der Rückgriff auf Kosaken und wichtige Offiziere der vor Ort stationierten Einheiten hatte eine zusätzliche abschreckende Wirkung.

Für eine bloße Kontrolle der Forscher wäre dieses Vorgehen weder notwendig noch sinnvoll gewesen. Humboldts Kontakt mit Verbannten zeigt, dass weder Kosaken noch die sibirischen Offiziere ihn zuverlässig abschirmen konnten oder wollten. Mit Georg von Cancrin ging auch Humboldts Ansprechpartner in der russischen Regierung davon aus, dass Humboldt die soziale Realität in Russland nicht verborgen bleiben würde. Stattdessen verständigte er sich mit dem Wissenschaftler auf einen vertraulichen Umgang mit seinen Beobachtungen. Man kann insofern mit einer gewissen Sicherheit annehmen, dass Humboldts bewaffnete Begleiter ihn während seiner Russlandreise eher schützten als überwachten.

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1 Der Ausdruck „russisch“ soll sich hier und im Folgenden auf den zarischen Vielvölkerstaat als ganzen beziehen. Russische Wörter und Eigennamen werden durch ihre deutschen Entsprechungen wiedergegeben. Gibt es keine gebräuchliche deutsche Bezeichnung, wird die wissenschaftliche Transliteration verwendet. Die Datumsangabe richtet sich nach dem gregorianischen Kalender. Belege am Absatzende beziehen sich im Folgenden auf den ganzen Absatz und, wenn nicht anders kenntlich gemacht, auf die darin verwendeten Zitate.

2 Dazu zählten Angehörige der Polizei ebenso wie Kosaken und russische Offiziere. Siehe zur Überwachung bspw. Ette (2007), S. 23, Kraft (2018), S. 16, Werner (2008), S. 42, Péaud (2016), S. 7, und Lubrich (2009), S. 848.

3 Vier Jahre vor Humboldts Besuch hatten sich liberale Mitglieder der russischen Oberschicht erfolglos gegen Nikolaus I. erhoben und waren danach größtenteils nach Sibirien verbannt worden, Dahlmann (2009), S. 158.

4 Zur Lage in Sibirien und der Kontrollpraxis unter Nikolaus I. siehe u.a. Hildermeier (2013), S. 742, S. 770, S. 804, Hartley (2014), S. 116, Naumov (2006), S. 99–102 und S. 118, Dahlmann (2009), S. 158 und Gentes (2010), S. 77 und S. 84–85, zu Humboldts politischer Haltung vgl. Zeuske (2005), S. 67, und Humboldt (2005), S. 291.

5 Siehe zu den zentralen Quellen Humboldt (2009), Ehrenberg (2019), Rose (2009) sowie Werner (2008), S. 43, Péaud (2016), S. 8, Lubrich (2019), S. 189–190, und Ette (2007), S. 24 und S. 32. Andere Quellen erster Ordnung zur Russlandreise sind bspw. Humboldts 1843 erschienene Asie centrale sowie sein Reisetagebuch, die Fragmente des Sibirischen Reise-Journals 1829. Der Bericht des mitreisenden Bergbeamten Dmitrij Stepanovič Men’šenin und von den lokalen russischen Behörden verfasste Dokumente berühren das Thema dieser Untersuchung meist nur am Rande. Letztere sind außerdem schwer zugänglich. Siehe Men’šenins Bericht bspw. bei Petzschner (1960), S. 171–187. Vgl. ferner Suckow (2005), S. 14, und Honigmann (2014), S. 70–72.

6 Hier sei auf die im Literaturverzeichnis aufgeführten Werke verwiesen.

7 Holtz (2014), S. 153–154 und S. 157, Geier (2009), S. 239 und S. 290, Kraft (2018), S. 61–62, Ette (2007), S. 21–28.

8 Naumov (2006), S. 104–107, Goehrke (2010), S. 123, Kraft (2018), S. 64, Humboldt (2009), S. 78–79, Fedorov (2009), S. 209–211.

9 Kraft (2018), S. 62–64.

10 Humboldt (2009), S. 82.

11 So nannte sie Humboldt gegenüber Cancrin noch Anfang 1829, Humboldt (2009), S. 86.

12 Beispielsweise die Sibirische Pest (der Milzbranderreger) in der Gegend von Kainsk, vgl. Humboldt (2009), S. 161–163, und Sergeev (2014), S. 57.

13 Humboldt (2009), S. 92–93, S. 114–117, S. 131, S. 138, S. 151, S. 154, S. 215, Lubrich (2009), S. 860–861, Knobloch u.a. (2009a), S. 45–52, Ette (2007), S. 22, Ehrenberg (2019), S. 39v–40v, Kollmann (2017), S. 339–341, Sergeev (2014), S. 68–69.

14 Am 17. Dezember 1827 hatte Cancrin noch geschrieben, das Reisen in Russland sei schnell, leicht und in höchstem Grad sicher, wobei er letzteres erst nachträglich ergänzte, Humboldt (2009), S. 78.

15 Humboldt (2009), S. 180.

16 Als solche sind Humboldts „Kirgisen“ hier in den meisten Fällen zu verstehen. Die russische Verwaltung bezeichnete beide Gruppen noch bis ins 20. Jahrhundert hinein mit demselben Wort, siehe Humboldt (2009), S. 117 FN 4.

17 Malikov (2011), S. 98–102.

18 Hier ist u.a. an die Entwicklungen in Folge der Reformen des Michail Speranskij zu denken, vgl. Naumov (2006), S. 85 und S. 95, Hartley (2014), S. 99. Siehe ferner Khodarkovsky (2002), S. 182–183.

19 Erst ein Jahr bevor Humboldt die Kasachensteppe bereiste, hatte die Verwaltung die Verfolgung einer Gruppe plündernder Kasachen aus Sicherheitsgründen verboten. Außerdem befand sich Russland bis zum 14. September im Krieg mit dem Osmanischen Reich. Vom Friedensschluss erfuhr Humboldt nicht vor dem 26. September, als er in Orenburg schon den Westrand der Kasachensteppe erreicht hatte. Siehe Humboldt (2009), S. 190–191 mit FN 9, Rose (2009), S. CXXXVI, Malikov (2011), S. 202, S. 254, S. 263, S. 295, Hartley (2014), S. 95, Kendirbai (2002), S. 2–3 und S. 12, und Stepanov (2014), S. 86–88. Zur Wahrscheinlichkeit eines Vergeltungsschlages vgl. auch Marshall (2006), S. 17.

20 Vor allem die zahlreichen Deserteure und geflohenen Straftäter hatten nach ihrer Flucht kaum Möglichkeiten, sich wieder fest in die Gesellschaft zu integrieren, Wood (1991), S. 120–124.

21 Hartley (2014), S. 79.

22 Knobloch u.a. (2009a), S. 47–48, Mar’inskich/Winkler (2014), S. 33, Wood (1991), S. 120–124, Dahlmann (2009), S. 161, Cheloukhine (2008), S. 356–357, Stolberg (2006), S. 63.

23 Humboldt (2009), S. 151.

24 An dieser Stelle ist vor allem an Men’šenin zu denken, der das Geld zur Bezahlung der Poststationen mitführte, Humboldt (2009), S. 92–93.

25 Humboldt (2009), S. 178.

26 Forsyth (1992), S. 129–130.

27 Erbe (2004), S. 264, Rowe (2009), S. 75, Suckow (2014), S. 63.

28 Lubrich (2009), S. 848–849, Rose (2009), S. CXI. Es sei auch zu bedenken, dass die chinesische Regierung einige Jahre zuvor noch einen Besuch Humboldts abgelehnt hatte, Geier (2009), S. 290.

29 Humboldt (2009), S. 138. Die Beobachtung fester Wachposten deckt sich mit der Johann Karl Ehrenfried Kegels, der wenige Jahre später auf einer ähnlichen Route reiste. Ihm zufolge gab es vor allem während der Jahrmärkte Posten an den Überlandstraßen, was „wegen der häufigen Beraubungen sehr notwendig“ war, Kegel (2011), S. 26.

30 Siehe zur Durchsetzungskraft der Verwaltung Stolberg (2006), S. 63.

31 Humboldt (2009), S. 162. Humboldts Klage ist an dieser Stelle wenig verwunderlich. So beschwerte er sich regelmäßig über die Besuche von Militärs und Mitgliedern der Oberschicht und die damit verbundenen repräsentativen Pflichten bis hin zur Feststellung „[…] les éternelles visites dʼhommes en épées. Cʼest lʼOrénoque plus les épaulettes“, Humboldt (2009), S. 145.

32 Humboldt (2009), S. 172.

33 Ebd. S. 156 FN 1, Knobloch u.a. (2009b), S. 309.

34 Rose (2009), S. CXVII–CXVIII. Einzelne „Cosaques dʼhonneur“ hatten Humboldt schon bei Jekaterinburg und Tobolsk begleitet, Humboldt (2009), S. 151 und S. 157.

35 Malikov (2011), S. 78–80, Plate (2006), S. 362, Kendirbai (2002), S. 2–3, Hartley (2014), S. 92.

36 Plate (2006), S. 353–354, O’Rourke (2007), S. 112, Khodarkovsky (2002), S. 172–173.

37 Malikov (2011), S. 255, S. 260–264, S. 269–271, S. 279–280, Kendirbai (2002), S. 3–4, S. 6, S. 12, Kegel (2011), S. 160, Kašljak (2014), S. 73, Naumov (2006), S. 102–103.

38 Für das Jahr 1826 ist bekannt, dass in der Festung 844 reguläre Soldaten, 119 Kosaken und 63 Offiziere stationiert waren, Suckow (2014), S. 63.

39 Rose (2009), S. CXXXVI, Kendirbai (2002), S. 4, Naumov (2006), S. 102, Malikov (2011), S. 264.

40 Humboldt (2009), S. 157.

41 Knobloch u.a. (2009b), S. 305, Rose (2009), S. LXXXIV, Ehrenberg (2019), S. 44v.

42 Humboldt (2009), S. 178.

43 Stepanov (2014), S. 85–86.

44 Dahlmann (2009), S. 88, Malikov (2011), S. 253, Hartley (2014), S. 90, Kendirbai (2002), S. 6–7.

45 Humboldt (2009), S. 172.

46 Ehrenberg (2019), S. 44r. Siehe auch Humboldt (2009), S. 172, und zu Ust-Kamenogorsk Suckow (2014), S. 62–63.

47 Trotz Humboldts Fürsprache wurden Semenov sowie die lokalen Verantwortlichen im Anschluss bestraft. Zum Vorfall um Semenov siehe Suckow (2014), S. 64–65, und zum Hintergrund Schattenberg (2008), S. 135.

48 Rose (2009), S. XLIX. Zu Witkiewicz siehe Biermann/Suckow (1996), S. 190–193, und Rose (2009), S. CXXXVI.

49 Nach seiner Amerikareise hatte Humboldt das noch ganz anders gesehen, Humboldt (2005), S. 291. Humboldt sicherte sich mit seinem vorauseilenden Gehorsam Cancrins Vertrauen. Das war nicht zuletzt deshalb wichtig, weil Humboldt die Reiseroute erheblich erweitern wollte, wie er dem Finanzminister schon fünf Tage später mitteilte, Humboldt (2009), S. 153–154.

50 Humboldt (2009), S. 159.

51 Ottmar Ette spricht hier von einer „quasi vertraglichen“ Verpflichtung Humboldts, siehe Ette (2007), S. 23.

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