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Christina Pinsdorf

Romantischer Empirismus im Anthropozän.
A. v. Humboldts und F. W. J. Schellings Ideen für die Environmental Humanities

Zusammenfassung

Im Anthropozän wird eine naturphilosophisch-ethische Neubestimmung des vorherrschenden Mensch-Natur-Verhältnisses virulent. Die Interdependenz von Natur und Kultur ist mehr denn je offensichtlich und die durch den Menschen verursachte ökologische Krise samt Klimawandel und massivem Artensterben hat sich zur umfassenden Bedrohung auch für die menschliche Lebensform selbst ausgewachsen. In der letzten Dekade hat hierauf insbesondere das interdisziplinäre Forschungsfeld der Environmental Humanities reagiert. Im Sinne dieser Forschungsausrichtung werden der Naturforscher A. v. Humboldt und der Naturphilosoph F. W. J. Schelling beleuchtet und auf ihre Relevanz für die Auseinandersetzung mit aktuellen ökologischen Problemstellungen überprüft. Anleitend hierfür ist die Annahme, dass beide Wissenschaftler die Position eines romantischen Empirismus vertreten haben, der ideengebendes Potenzial für eine Revision des Mensch-Natur-Verhältnisses birgt.

Abstract

In the Anthropocene a redefinition of the prevalent human-nature relationship on the part of philosophy of nature and ethics becomes crucial. The interdependency of nature and culture is more than ever apparent and the man-made ecological crisis along with climate change and massive species extinction has turned into an encompassing threat, also for the human lifeform itself. In the last decade, the interdisciplinary research field Environmental Humanities has reacted particularly hereunto. Along the lines of this research direction, the natural scientist A. v. Humboldt and the natural philosopher F. W. J. Schelling get illuminated and examined concerning their relevance for an engagement with current ecological challenges. Instructive for this purpose is the assumption that both scientists represented the position of a romantic Empiricism which has idea-generating potential for a revision of the human-nature relationship.

Resumen

En el antropoceno una redefinición desde la perspectiva de la filosofía natural y la ética de la relación actual entre hombre y naturaleza se vuelve crucial. La interdependencia entre naturaleza y cultura se ha vuelto más obvia que nunca. La crisis ecológica junto al cambio climático y la imensa extinción de especies, que mayormente fue causada por el ser humano, se ha convertido en un peligro universal para la humanidad. Dentro de la última década una reacción a esto sobre todo se encuentra en el campo de investigación interdisciplinario llamado Environmental Humanities. Esta disciplina se enfoca en el naturalista A. v. Humboldt y el filósofo natural F. W. J. Schelling e investiga su relevancia para el debate sobre las problemáticas ecológicas actuales. La suposición fundamental en este contexto es, que los dos científicos tomaron la posición del empirismo romántico, el cual puede resultar muy fructífero para una revisión de la relación entre hombre y naturaleza.

Einleitung

Spätestens mit der Proklamation eines neuen geochronologischen Erdzeitalters namens Anthropozän wird deutlich, dass sich der Mensch zum wirkmächtigsten Einflussfaktor auf dem Planeten entwickelt hat. Der anthropogene Einfluss zeigt sich entweder an direkt ersichtlichen kulturellen Eingriffen oder indirekt durch Veränderungen der planetaren Litho-, Atmo-, Hydro-, Kryo- und Biosphäre. Die Interdependenz von Natur und Kultur ist mehr denn je offensichtlich und die maßgeblich durch den Menschen verursachte ökologische Krise samt Klimawandel und massivem Artensterben hat sich zur umfassenden Bedrohung auch für die menschliche Lebensform selbst ausgewachsen. Vor diesem Hintergrund verschärft sich die Frage nach einer Neuausrichtung des bestehenden Mensch-Natur-Verhältnisses.

In der letzten Dekade hat die akademische Wissenschaftslandschaft mit der Forcierung des interdisziplinären Forschungsfelds der Environmental Humanities reagiert, das die Expertise von verschiedensten natur- und umweltbezogenen Subdisziplinen der Geisteswissenschaften – wie u. a. Umweltgeschichte, -literatur und -philosophie – mit Blick auf pressierende ökologische Frage- und Problemstellungen zu bündeln sucht. Dabei streben die Environmental Humanities nicht zuletzt einen Brückenschlag zwischen der traditionellen Trennung von Natur- und Geisteswissenschaften an, um den aktuellen Herausforderungen der ökologischen Krise zu begegnen.1 Im Sinne dieser Forschungsausrichtung sollen in den nachfolgenden Ausführungen zwei herausragende historische Persönlichkeiten des ausgehenden 18. Jahrhunderts – der Naturforscher Alexander von Humboldt (1769–1859) und der Naturphilosoph Friedrich Wilhelm Josef Schelling (1775–1854) – beleuchtet und auf ihre Relevanz für das Forschungsprogramm der Environmental Humanities sowie für die Auseinandersetzung mit aktuellen ökologisch-naturethischen Problemstellungen hin überprüft werden. Anleitend hierfür ist einerseits die Annahme, dass beide Wissenschaftler zu bestimmten Zeiten ihres Schaffens ein Erkenntnisinteresse verfolgt haben, dass sich bereits damals nachdrücklicher hätte ergänzen sollen, und dass beide andererseits Einsichten generiert haben, die in der heutigen Zeit als ideengebendes Potenzial für eine Revision des Mensch-Natur-Verhältnisses fruchtbar gemacht werden können.

Historischer Kontext

Als eine historisch gewachsene Wurzel der ökologischen Probleme im Anthropozän kann das mechanistisch ausgerichtete naturwissenschaftliche Paradigma der Neuzeit angeführt werden. Diesem entspricht ein wissenschaftliches Programm, das sich Natur als Objekt quantifizierender Forschung unter unveränderlichen Naturgesetzen gegenüberstellt und so eine mit Herrschaftsansprüchen des Menschen über die Natur verbundene Subjekt-Objekt-Spaltung initiiert. Hier findet sich die historische Ausgangslage für einen naturwissenschaftlich-technischen Umgang mit Natur und ihren Ressourcen als für die menschliche Aneignung frei und (fast) grenzenlos verfügbar. Für Francis Bacon (1561–1626) ist es des Menschen Berufung mittels Gebrauch seiner Vernunft die Geheimnisse der Natur durch empirische Untersuchungen aufzudecken, das für eine Unterwerfung der Natur notwendige Wissen zu erlangen und die Grenzen der gottgegebenen Beherrschung über den Rest der Schöpfung durch technologischen Fortschritt zu erweitern.2 In eben jene Richtung menschlicher Aneignung von Natur weisen auch René Descartes’ (1596–1650) philosophische sowie Isaac Newtons (1643–1727) physikalische Hypothesen, die die Tendenz der Dualisierung und Unterwerfung als Paradigma menschlicher Dominanz über die Natur noch verstärken.

Dies sind zu dem Zeitpunkt als Schelling erstmalig den Kontakt zu Humboldt aufnimmt der wissenschaftliche Kontext (Natur-Geist-Dualismus) und Zeitgeist (Naturbeherrschungsbestrebungen).

Schellings Annäherung

Im Januar 1805 verfasst Schelling seinen ersten Brief an Humboldt, in dem er die vorherrschende Methodik der empirischen Forschung beklagt: „Es hat bis jetzt in Deutschland von Seiten der empirischen Forscher an dem Mann gefehlt, der die Ansicht im Ganzen und Großen aufgefaßt und darnach beurtheilt hätte.“3 Mit Humboldt verknüpft er indes die Hoffnung, den gesuchten naturwissenschaftlichen Partner für sein Projekt zu finden. Humboldt antwortet am 1. Februar 1805 enthusiasmiert auf diese Anfrage: „Was sollte auch in der That mehr meine Aufmerksamkeit auf sich ziehen, als eine Revolution in denjenigen Wissenschaften, denen mein ganzes Leben gewidmet ist.“4 Schließlich verbindet er selbst große Hoffnungen mit Schelling, denn „[z]wischen Chemismus und Erregungstheorie schwankend, habe ich stets geahnt, daß es noch etwas Besseres und Höheres geben müsse, auf das Alles zurückgeführt werden könne, und dies Höhere verdanken wir nun Ihren Entdeckungen“5.

Schelling hegt eine große Bewunderung für die ganze Person Humboldt, die nicht nur die Fähigkeiten der exakten Beobachtung und Messgenauigkeit des Naturforschers, sondern zudem eine ästhetische wie ethisch-moralische Sensibilität des Intellektuellen und den abenteuerlichen Wissensdurst des Expeditionsreisenden auf sich vereint.6 Humboldt seinerseits verehrt Schelling für seine naturphilosophischen Bestrebungen, aber durchaus auch für seine naturkundlichen Beiträge, auf die er in der Vorrede der Ideen zu einer Geographie der Pflanzen dankbar verweist:

Wer kann daher auch frohem [sic!] und innigern Antheil, als ich, an einem Systeme nehmen, das, die Atomistik untergrabend, und von der auch von mir einst befolgten einseitigen Vorstellungsart, alle Differenz der Materie auf bloße Differenz der Raumerfüllung und Dichtigkeit zurückzuführen, entfernt, helles Licht über Organismus, Wärme, magnetische und elektrische, der bisherigen Naturkunde so unzugängliche Erscheinungen zu verbreiten verheißt?7

Humboldt und der junge Schelling brennen für das gleiche Projekt. Aus ihrem Briefwechsel gehen die Hoffnung und der Enthusiasmus hervor, die beide bezüglich der Ergänzung des anderen für das Vorhaben hegen. In jenem ersten Brief betont Schelling die Ähnlichkeit ihrer weltanschaulichen8 Positionen, in welchen sich „Vernunft und Erfahrung […] nie anders als blos scheinbar widerstreiten“9 können. Für Humboldt, dessen Geist „schon mitten im Zeitalter des Empirismus, so mächtig über die Schranken der damaligen Physik hinaus[strebe]“ müssten „die kühneren Ideen“ mit denen Schelling nun aufwarte, doch „wie Bekannte sein“10. Und Humboldt bestätigt sogleich, die „Naturphilosophie kann den Fortschritten der empirischen Wissenschaften nie schädlich sein. Im Gegentheil, sie führt das Entdeckte auf Principien zurück, wie sie zugleich neue Entdeckungen begründet.“11

Trotz dieses von gegenseitiger Wertschätzung geprägten und mit hohen Erwartungen verbundenen Auftakts der Beziehung zwischen Humboldt und Schelling rückt die wenige Forschungsliteratur fast ausschließlich fundamentale Differenzen zwischen beiden in den Vordergrund.12 Teilweise verbinden sich diese mit einer polemischen wie undifferenzierten Kritik an romantischer Naturforschung und Naturphilosophie insgesamt.13

Humboldts Abkehr

In der Tat entwickelt sich die Beziehung zwischen Humboldt und Schelling von beidseitiger Euphorie in der Anfangsphase im Zuge der philosophischen Umorientierung Schellings zur einseitigen Ablehnung seitens Humboldt. Beide leben sich zunehmend auseinander: Während Humboldt weiterhin an dem ursprünglich geteilten Erkenntnisinteresse und dem naturphilosophischen bzw. naturkundlichen Ganzheitsgedanken festhält, richtet sich Schelling – u. a. aufgrund von Frustration über die ihn missverstehende und feindselige Interpretation seiner Schriften durch die Wissenschaftsgemeinde – neu aus.14 Je mehr sich Schelling in der zweiten Dekade des 19. Jahrhunderts den christlich-theologisch motivierten Themen Mythologie, Theorie der Offenbarung und Philosophie der Weltalter widmet und damit seine ursprüngliche naturphilosophische Orientierung ebenso aufgibt wie sein naturwissenschaftliches Interesse, wendet sich der kirchen- und religionskritische Humboldt enttäuscht von ihm ab.15 Beruhte ihr anfänglicher Briefkontakt noch auf dem inhaltlichen Austausch wissenschaftlicher Ansichten und Ziele, fokussierte der spätere, ab den 1840er Jahren wieder teilweise dokumentierte, Briefwechsel vielmehr soziales Netzwerken und wissenschaftspolitische Allianzen. Auch wenn Humboldt ihm im persönlichen Briefkontakt weiterhin gewogen blieb und seine Hochachtung versicherte, konnte er Schelling als wissenschaftlichen Kollegen nicht mehr ernst nehmen, verspottete ihn gar gegenüber Dritten und hielt den schmeichelnden Kontakt anscheinend insbesondere aus gesellschaftlich relevantem Kalkül aufrecht.16

Die nicht exakt zu datierende, sondern sich eher schleichend vollziehende Abkehr Humboldts von Schelling und der romantischen Naturphilosophie ist unstrittig. Allerdings dient sie nicht als Rechtfertigung für die These, Humboldt habe Schelling und die Naturphilosophie Zeit seines Lebens verachtet. Dennoch interpretiert Peter Hanns Reill Humboldts Aussagen zur Naturphilosophie pauschal als „rhetorical exercise“ und mehr noch, Humboldts wertschätzende Äußerungen über Schelling und andere romantische Naturphilosophen als „smokescreen designed both to confuse the enemy and to condemn them with praise“17. Er bezweifelt die Ernsthaftigkeit von Humboldts Äußerungen über Schelling ganz grundsätzlich und sieht darüber hinaus auch keinen Anhaltspunkt für die Annahme von Synergien zwischen den Forschungen beider.

In seinem Buch Vitalizing Nature in the Enlightenment kontrastiert Reill die romantische Naturphilosophie mit einer früheren Strömung, die er Vitalismus der Aufklärung (Enlightenment Vitalism) nennt.18 Er begreift die romantische Naturphilosophie gerade nicht als logische Konsequenz oder gar Höhepunkt des Vitalismus, sondern als deren Negation: Es sei das zentrale Anliegen der Naturphilosophie, die seitens des Vitalismus vertretenen Dichotomien aufzulösen. Die Art und Weise, wie Reill diese von der romantischen Naturphilosophie angestrebte Auflösung darstellt – eine apriorische, rein geistig-idealistische Auflösung –,19 trifft auf die frühe Phase ihres Begründers Schelling indes nicht zu.20 Auch das Anführen Alexander von Humboldts als ein konkretes Gegenbeispiel21 für die romantische Naturphilosophie soll nachfolgend zurückgewiesen und Humboldt als Naturforscher im Sinne eines romantischen Empirismus vorgestellt werden, der von der romantischen Naturphilosophie des jungen Schelling nicht nur inspiriert war, sondern durch diese eine Ergänzung seiner Forschungen geradezu ersehnte. Humboldt war kein Philosoph, aber ein durchaus naturphilosophisch denkender Naturforscher:22 In seinem Werk scheinen immer wieder philosophische Gedanken, Ideen und Ansprüche durch. Zumeist sind seine insbesondere naturphilosophischen Ansichten in seinen Formulierungen implizit enthalten und bleiben darüber hinaus fragmentarisch, da sie nicht systematisch ausgearbeitet wurden, sondern über diverse seiner Schriften hinweg verstreut auftauchen; teilweise äußert er sie jedoch in aller Deutlichkeit. Wo er dies tut klingt nicht nur eine Hoffnung an, die er mit dem jungen Begründer der romantischen Naturphilosophie teilt, sondern die beide in einer kurzen Phase ihres Lebens – zur Zeit des jüngeren Schelling mit seiner früheren Naturphilosophie (ca. 1797–1809)23 – als tiefe wissenschaftliche und weltanschauliche Überzeugung in ihrem, dem wissenschaftlichen Zeitgeist entgegengesetzten, Streben nach einer Einheit von Natur und Geist sowie einem adäquaten Mensch-Natur-Verhältnis verbindet.

Naturforschung contra Naturphilosophie?

In wenig differenzierten Darstellungen werden Naturforschung und Naturphilosophie gegeneinander ausgespielt und dabei Humboldt und Schelling als Gegner aus feindlichen Lagern charakterisiert:24 Als unerschütterlicher Empiriker verachte Humboldt eigentlich die philosophisch abstrakte Methode aufgrund ihrer Realitätsferne und lehne Naturphilosophie – im Sinne einer „Chemie, in der man sich die Hände nicht naß machte“25 – grundsätzlich ab. Außerdem kritisiere Humboldt an der Philosophie, dass sie sich statt Klarheit zu schaffen hinter undurchsichtigen Phrasen verstecke: „Die dogmatischen Ansichten der vorigen Jahrhunderte leben dann nur fort […] in gewissen Disciplinen, die, in dem Bewußtsein ihrer Schwäche, sich gern in Dunkelheit hüllen.“26 Als entschiedener Idealist schätze Schelling wiederum die empirische Methode aufgrund ihrer naiven, unreflektierten, das große Ganze nicht erkennenden Arbeit an der Oberfläche gering.

Demgegenüber soll hier mittels zahlreicher Passagen aus den Werken Humboldts und des frühen Schelling ein differenzierteres Bild gezeichnet werden als die Sichtweise, beide hätten der jeweils anderen wissenschaftlichen Disziplin grundlegend geringschätzig gegenübergestanden. Es wird überdies die These vertreten, dass Humboldt und der frühe Schelling bestrebt waren dem in einzelne Disziplinen zersplitterten und die Natur mechanistisch objektivierenden Denken ein gemeinsames holistisches Programm entgegenzusetzen.

Humboldt selbst arbeitet hochgradig vernetzt, transdisziplinär und in globaler Perspektive.27 Bei seiner Forschung denkt er die Bereicherung seiner Studien für andere Disziplinen sowie die Bereicherung anderer Disziplinen für seine Studien gleich mit. Insbesondere wünscht er das Aufgreifen seiner Forschungsergebnisse durch die Naturphilosophie, um mithilfe ihrer Expertise der Erkenntnis der Einheit der Natur näher zu kommen. So schreibt Humboldt in den Ideen zu einer Geographie der Pflanzen über das für ihn bedeutende Naturgemälde (tableau physique):

Eine solche Schilderung der Natur heißer Klimate schien mir nicht bloß an sich selbst interessant für den empyrischen Physiker; sondern ich schmeichelte mir auch, daß sie besonders lehrreich und fruchtbar durch die Ideen werden würde, die sie in dem Geiste derer erregen könnte, welche Sinn für allgemeine Naturlehre haben und dem Zusammenwirken der Kräfte nachspüren. In der großen Verkettung von Ursachen und Wirkungen darf kein Stoff, keine Thätigkeit isolirt betrachtet werden. Das Gleichgewicht, welches mitten unter den Perturbationen scheinbar streitender Elemente herrscht, dieß Gleichgewicht geht aus dem freyen Spiel dynamischer Kräfte hervor; und ein vollständiger Überblick der Natur, der letzte Zweck alles physikalischen Studiums, kann nur dadurch erreicht werden, daß keine Kraft, keine Formbildung vernachläßigt, und dadurch der Philosophie der Natur ein weites, fruchtversprechendes Feld vorbereitet wird.28

Und weiter heißt es hier – höchst wahrscheinlich unter Bezugnahme auf Schelling:

Ich darf mir schmeicheln, daß selbst dem Naturphilosophen, der alle Mannigfaltigkeit der Natur den Elementaractionen Einer Materie zuschreibt, und der den Weltorganismus durch den nie entschiedenen Kampf widerstrebender Kräfte begründet sieht, eine solche Zusammenstellung von Thatsachen wichtig seyn muß. Der Empyriker zählt und mißt, was die Erscheinungen unmittelbar darbieten: der Philosophie der Natur ist es aufbehalten, das allen Gemeinsame aufzufassen und auf Principien zurückzuführen.29

Doch selbst im Rahmen einer derart pluriperspektivischen Forschung scheint die äußere Welt, die sich „allmälig dem forschenden Natursinn“ als „allgemeine Verkettung, nicht in einfacher linearer Richtung, sondern in netzartig verschlungenem Gewebe“30 darstellt, Humboldt nicht gänzlich fassbar. In epistemischer Hinsicht entspricht diese Einsicht der fundamentalen Struktur allen ökologischen Denkens, die sich in der Polarität zwischen potenziell unendlicher Verbundenheit und potenziell unendlicher Verschiedenheit ausdrückt.31 Die unüberschaubare Konnektivität aller Naturphänomene und ihre nicht reduzierbare Diversität, die in und mit allem verbundene Einheit in Kombination mit der unendlich mannigfaltigen Vereinzelung der Dinge, veranlassen ihn bei der Zusammenstellung seines großen Lebenswerks, dessen Titel besagtes Spannungsverhältnis selbst enthält – Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung –, denn auch zu epistemologischer Bescheidenheit. Aufgrund der Unbegrenztheit von Empirie und Beobachtungssphäre müssen alle Beschreibungen und ihre Erklärungen notwendig unvollständig bleiben. Humboldt muss sich eingestehen, dass die von ihm angestrebte physische Weltbeschreibung prinzipiell nicht abgeschlossen werden kann, denn „[i]n dem wundervollen Gewebe des Organismus, in dem ewigen Treiben und Wirken der lebendigen Kräfte führt […] jedes tiefere Forschen an den Eingang neuer Labyrinthe.“32

So stößt das durch den Naturforscher angestrebte universelle System, der empirische Ansatz einer physischen Weltbeschreibung an seine Grenze. Vor dem Hintergrund der Mannigfaltigkeit der Erscheinungen bildet Schelling gar nicht erst die Absicht aus, ein umfassendes System entwickeln zu können,

da […] jede neue Entdeckung uns in eine neue Unwissenheit zurückwirft, und indem der eine Knoten sich löst, ein neuer sich schürzt, so ist begreiflich, daß die vollständige Entdeckung aller Zwischenglieder im Zusammenhang der Natur, daß also auch unsere Wissenschaft selbst eine unendliche Aufgabe ist.33

Er sieht sich vielmehr gemäß seinem eigenen Anspruch und durchaus auch vonseiten Humboldts vor die Herausforderung gestellt,34 ein metaphysisches System zu entwickeln, das die Mannigfaltigkeit der Phänomene und ihr komplexes Zusammenspiel dennoch in einer Einheit aufzuheben vermag.

Frederick Beiser führt aus, inwiefern Schelling der neuen Metaphysik der Romantik, der sogenannten Weltanschauung, in seinem System des transcendentalen Idealismus von 1800 sowie seiner Darstellung meines Systems von 1801 zu einer systematischeren Formulierung verhilft. Als für diese neue Weltanschauung zentral erachtet Beiser die zunächst als utopisches Projekt anmutende Synthese von Realismus und Idealismus – erstgenannter gemäß Spinozas Realismus, Determinismus und Monismus, letzterer gemäß Fichtes Idealismus, Indeterminismus und Dualismus.35 Schelling und seine Mitstreiter der deutschen Romantik sehen sich mit einem scheinbar unausweichlichen Dilemma hinsichtlich metaphysischem Dualismus und mechanistischem Materialismus konfrontiert. Übernehme man dieses Paradigma, so gelte es, sich zwischen zwei unzureichenden Alternativen zu entscheiden: Entweder müsse man das Phänomen des Lebens außerhalb der Natur verorten und so zum Dualisten werden, oder man müsse selbiges Phänomen auf bewegte Materie reduzieren und so zum Mechanisten werden. Während der Mechanist zwar die Prinzipien des Naturalismus aufrechterhalte, ignoriere er die für Lebensphänomene charakteristischen Qualitäten. Demgegenüber erkenne der Dualist zwar jene Qualitäten an, verfrachte sie jedoch in einen mysteriösen Bereich sui generis, in dem sie nicht länger gemäß wissenschaftlicher Methoden erklärbar seien.36 Nach Ansicht Beisers strebt Schelling mit seinem organischen Naturbegriff die Auflösung eben dieses Dilemmas an. Damit gelinge ihm tatsächlich eine verständliche wie kohärente Einbettung der romantischen Metaphysik. Er vermeide die Extreme sowohl des Subjektivismus als auch des Dogmatismus und verbinde die Tugenden einer kritischen Epistemologie mit einer naturalistischen Ontologie: „It was this concept that allowed the romantics to join Fichte’s idealism with Spinoza’s naturalism, Fichte’s belief in the primacy of the self and Spinoza’s faith in the priority of nature.“37

Durch den Drang, die Realität der äußeren Welt erklären zu wollen und der gänzlichen Andersheit des non-ego gerecht zu werden, sehen sich die Romantiker gemäß Beiser gezwungen, die Einseitigkeit des Fichte’schen Idealismus hinter sich zu lassen bzw. ihn mittels des höheren Realismus von Spinoza zu komplementieren. Mit der Aufgabe, eine Interpretation der Subjekt-Objekt-Identität zu finden, die die Erfahrung einer äußeren Welt abzubilden in der Lage sein würde, suchen sie nach einer Identität von Subjekt-Objekt-Identität und Subjekt-Objekt-Nichtidentität. Diese Suche führte auf den Weg des organischen Naturbegriffs, den Schelling zuerst 1798 in Von der Weltseele und 1799 in seinem Erster Entwurf eines Systems der Naturphilosophie entwickelt und für den das Prinzip des Naturzwecks grundlegend ist.38 Wenn, wie von Schelling dargelegt, die Natur eine organische Ganzheit ist, könne man weder im Sinne des Idealismus sagen, dass sie vollständig innerhalb des Bewusstseins sei, noch im Sinne des Realismus vertreten, dass sie vollständig außerhalb des Bewusstseins liege: „Rather, it is both and neither.“39

Weil diese Gemengelage kaum denkbar und noch weniger klar formulierbar ist, bemüht Schelling Metaphern wie die des geheimen Bandes, um der Art und Weise, wie Natur und Geist als Andersheit in Einheit miteinander verbunden sind, Ausdruck zu verleihen.

Das von Schelling und Humboldt geteilte Ganzheits- und Einheitsstreben zielt also keineswegs auf die Nivellierung pluriperspektivischer Betrachtungsweisen oder individueller Besonderheiten ab. Es geht ihnen ganz im Gegenteil darum, disziplinäre Grenzen zu überschreiten, um transdisziplinär möglichst diverse Perspektiven auf die eine Welt komplementär zusammenzuschauen.40

Denn für Schelling gilt: „Idealismus ist Seele der Philosophie; Realismus ihr Leib; nur beide zusammen machen ein lebendiges Ganzes aus.“41 Ebenso befürwortet Humboldt „die Bewegungen des Geistes […] in zwei Richtungen zugleich: in den Forschungen der speculativen Philosophie und in der philosophischen Bearbeitung des empirischen Naturwissens42. Sie stimmen überein, dass weder ein empirischer noch ein metaphysischer Zugang zur Natur für sich allein genommen ausreicht, um Natur als Einheit resp. Ganzheit zu erfassen und zu erklären. Als Naturphilosoph betont Schelling freilich zuvorderst die Unzulänglichkeit einer ausschließlich empirischen Methode: „Die Erfahrung wäre wohl gut, wenn nur immer sogleich ausgemittelt werden könnte, was denn die Erfahrung eigentlich sagt. Dies kann nur durch Theorie geschehen.“43 Denn, „wer keine rechte Theorie hat, kann unmöglich […] eine rechte Erfahrung haben. […] Die Thatsache an sich ist nichts“44. Theorie sei insofern bereits die notwendige Voraussetzung dafür, Erfahrungen zu machen und nicht bloß unzusammenhängende Sinneseindrücke zu haben. Wolle man zudem über Erfahrung hinausgehende, allgemeinere Prinzipien aufstellen, auch um die empirische Forschung der Natur voranzutreiben, sei es prinzipiell erforderlich, die Erfahrungsebene zu transzendieren: „Es ist daher begreiflich, daß speculative Physik (die Seele des wahren Experiments) von jeher die Mutter aller großen Entdeckungen in der Natur gewesen ist.“45

Aber auch für Humboldt fängt „Wissenschaft […] erst an, wo der Geist sich des Stoffes bemächtigt, wo versucht wird, die Masse der Erfahrungen einer Vernunfterkenntniß zu unterwerfen; sie ist der Geist, zugewandt zu der Natur“46. Ebenfalls im Kosmos ergänzt er: „Der Tendenz endloser Zersplitterung des Erkannten und Gesammelten widerstrebend, soll der ordnende Denker trachten, der Gefahr der empirischen Fülle zu entgehen.“47 Eine rein spekulative Methode, die er bei einigen Schellingianern wie auch bei Hegel und dann beim späten Schelling selbst vorfindet, sei aber ebenso unzureichend. Selbstverständlich weist Humboldt als Naturforscher eine solche entschieden zurück:

Mannigfaltig mißverstanden, und ganz gegen die Absicht und den Rath der tiefsinnigen und mächtigen Denker, welche diese schon dem Alterthum eigenthümlichen Bestrebungen wiederum angeregt, haben naturphilosophische Systeme, eine kurze Zeit lang, in unserem Vaterlande, von den ernsten und mit dem materiellen Wohlstande der Staaten so nahe verwandten Studien mathematischer und physikalischer Wissenschaften abzulenken gedroht. Der berauschende Wahn des errungenen Besitzes, eine eigene, abenteuerlich-symbolisirende Sprache, ein Schematismus, enger, als ihn je das Mittelalter der Menschheit angezwängt, haben, in jugendlichem Mißbrauch edler Kräfte, die heiteren und kurzen Saturnalien eines rein-ideellen Naturwissens bezeichnet. Ich wiederhole den Ausdruck: Mißbrauch der Kräfte; denn ernste, der Philosophie und der Beobachtung gleichzeitig zugewandte Geister sind jenen Saturnalien fremd geblieben.48

Von einem reflektierten Standpunkt aus kritisiert Humboldt also reine Spekulation und bloße Empirie gleichermaßen:

Der Inbegriff von Erfahrungskenntnissen und eine in allen ihren Theilen ausgebildete Philosophie der Natur (falls eine solche Ausbildung je zu erreichen ist) können nicht in Widerspruch treten, wenn die Philosophie der Natur, ihrem Versprechen gemäß, das vernunftmäßige Begreifen der wirklichen Erscheinungen im Weltall ist. Wo der Widerspruch sich zeigt, liegt die Schuld entweder in der Hohlheit der Speculation oder in der Anmaßung der Empirie, die mehr durch die Erfahrung erwiesen glaubt, als durch dieselbe begründet ward.49

Schelling, der Naturphilosoph, differenziert zwar die maßgeblichen Zuständigkeitsbereiche – „Die Natur als bloßes Produkt (natura naturata) nennen wir Natur als Objekt (auf diese allein geht alle Empirie). Die Natur als Produktivität (natura naturans) nennen wir Natur als Subjekt (auf diese allein geht alle Theorie)“50 – macht aber unmissverständlich deutlich, dass beide Expertisen zusammenkommen müssen. Denn ein idealistischer Zugang bleibe für sich allein blind, tot und unfähig, die Sinnenwelt zu integrieren. So ist es für ihn „eine unnachläßliche Forderung, welche unsere Wissenschaft zu erfüllen hat, daß sie ihren Construktionen a priori entsprechende äußere Anschauungen beigeselle, denn sonst würden diese Construktionen für uns nicht mehr Sinn haben, als die Theorie der Farben für den Blindgebornen“51. Für die Zeit um 1800 war es durchaus üblich, dass Philosophen naturwissenschaftlich versiert und des aktuellen wissenschaftlichen State of the Art kundig waren. Einige Philosophen, zu denen auch Schelling zählt, verfügen zu dieser Zeit über recht umfangreiche naturwissenschaftliche Kenntnisse, hören entsprechende Vorlesungen und sind sogar selbst an wissenschaftlichen Experimenten beteiligt. Schelling verbindet mit seiner Naturphilosophie, resp. speculativen Physik sogar den Anspruch, künftige naturwissenschaftliche Forschung maßgeblich zu befördern.52 Trotz der seine Naturphilosophie bestimmenden apriorischen Prinzipien ist die konkrete sinnliche Erfahrung für Schelling durchaus wesentlich für die Erkenntnis von Gesetzen: „Wir wissen ursprünglich überhaupt nichts als durch Erfahrung, und mittelst der Erfahrung, und insofern besteht unser ganzes Wissen aus Erfahrungssätzen.“53 Die „letzten Ursachen der Naturerscheinungen“ müssen ihre

Notwendigkeit in sich selbst tragen, aber sie muß überdies auf empirische Probe gebracht werden, denn […] wenn im ganzen Zusammenhange der Natur eine einzige Erscheinung ist, die nicht nach jenem Princip nothwendig ist, oder ihm gar widerspricht, so ist die Voraussetzung eben dadurch schon als falsch erklärt, und hört von diesem Augenblick an auf als Princip zu gelten.54

Humboldt und Schelling, Naturforscher und Naturphilosoph, plädieren beide für einen Naturzugang, der zugleich empirisch wie spekulativ verfährt. Gemeinsam stehen sie so für das Leitbild einer Forschungsrichtung, die Dalia Nassar trefflich als romantischen Empirismus (romantic empiricism55) bezeichnet. Mit ihrer Forderung einer notwendigen Zusammenarbeit von Naturforschung und Naturphilosophie haben sie als Alternative sowohl zu einem vitalistischen Dualismus als auch zu einem mechanistischen Monismus einen interdisziplinär fundierten Ansatz vor Augen, der Empirie und Theorie ebenso zu integrieren vermag wie Ethik und Ästhetik.56

In diesem Sinne beabsichtigen die Environmental Humanities heute erneut, die weiterhin etablierte Spaltung von Natur- und Geisteswissenschaften zu überwinden.

Charakteristika eines romantischen Empirismus nach Humboldt und Schelling

Dualismus- und Mechanismuskritik

Den zu ihrer Zeit vorherrschenden Natur-Geist-Dualismus bewertet Schelling als ein notwendigerweise zu durchschreitendes Übel der Philosophie auf dem Weg zu einem höheren Ziel. Ihm stellt sich die ursprüngliche naturphilosophische Ausgangslage für einen dualistischen Zwischenschritt folgendermaßen dar:

Sobald der Mensch sich selbst mit der äußeren Welt in Widerspruch setzt […] ist der erste Schritt zur Philosophie geschehen. Mit jener Trennung zuerst beginnt Reflexion; von nun an trennt er [der Mensch (C. P.)] was die Natur auf immer vereinigt hatte, trennt den Gegenstand von der Anschauung, den Begriff vom Bilde, endlich (indem er sein eigenes Objekt wird) sich selbst von sich selbst. Aber diese Trennung ist nur Mittel, nicht Zweck.57

Der eigentliche Zweck der Naturphilosophie bestehe darin, ausgehend von jener ersten und für den Erkenntnisgewinn notwendigen Distanz oder Fremdheit durch Trennung, zu einer reflektierten Verbundenheit, höheren Einheit, einer Wiedervereinigung durch Freiheit zu gelangen.58 Doch der zu einer Wiedervereinigung führende Weg werde nicht eingeschlagen. Ganz im Gegenteil verzeichnet Schelling zu seiner Zeit eine Bewegung in die entgegengesetzte Richtung. Philosophie und Naturwissenschaft zementieren die eigentlich zu überwindende Trennung von Subjekt und Objekt und tragen so zu einer immer tieferen Entfremdung des Menschen von der Natur und damit auch von sich selbst bei.59 Zu dieser durch forcierte Trennung fortschreitenden Entfremdung auf einem neuen Level resümiert Reinhard Heckmann pointiert:

Diese erneut sich einstellende Fremdheit ist von der ursprünglichen verschieden: Sie ist die Fremdheit nicht einer potentiell gefahrbringenden, weil undurchschauten Natur, sondern vielmehr die der transparent und berechenbar gewordenen Natur, welche in dem Maße ihrer ‚Entzauberung‘ durch den Fortschritt der Wissenschaften ihrer subjekt-analogen […] Züge entledigt wurde, bis zuletzt nur mehr das nackte Schema einer abstrakten, für sich genommen wert- und bedeutungslosen und somit im Prinzip unbegrenzt verfügbaren Objektivität von ihr übrig geblieben ist, aus der jede ‚[verborgene] Spur der Freiheit’ (Entwurf, III, 13) getilgt ist.60

Im Zuge der ersten Trennung stellt sich der Mensch die Natur gewissermaßen gegenüber und distanziert sich von ihr, um sie aus der Ferne betrachten und über sie reflektieren zu können. In diesem Rahmen wirkt Natur, als das unkontrollierbare Andere, durchaus bedrohlich und fremd. In ihrer rohen und naturwüchsigen Form erscheint etwa Wildnis als das Gegenteil von Kultur, als das, was der Mensch in bestellbares Ackerland usw. umwandeln muss, damit es seine Existenz nicht gefährdet, sondern vielmehr gewährleistet. Zugleich wohnt der ungezähmten und unverfügbaren Natur jedoch auch ein Zauber inne, sie fungiert als Projektionsfläche für menschliche Sehnsüchte, verweist auf primordiale Strukturen und eine einstige tiefe Verbundenheit.

Die zweite Trennung oder Entfremdungswelle ist demgegenüber von gänzlich anderer Qualität. Auf der Grundlage diverser technischer wie zivilisatorischer Errungenschaften erscheint Natur mit Einsetzen der Neuzeit, über die Industrialisierung und bis ins 21. Jahrhundert zunehmend weniger als Bedrohung, der wir schutzlos ausgeliefert sind. Faktisch ist im Anthropozän kaum eine vom Menschen nicht dominierte Natur mehr geblieben. Der Mensch hat sich von der Natur distanziert und sie teilweise zum bloßen Forschungsobjekt degradiert. Er hat sich Natur fortwährend angeeignet, um sie seinen Bedürfnissen gemäß umzugestalten. Dass die Unverfügbarkeit der Natur auf ein Minimum geschrumpft ist, wird heute an so unterschiedlichen Phänomenen wie gentechnischen Eingriffen in das Erbgut von Lebewesen (wovon sogar menschliche Embryonen nicht länger ausgenommen sind) oder Schlange stehenden BergsteigerInnen am Mount Everest deutlich. Im ausgehenden 18. Jahrhundert lagen solche Szenarien noch in weiter Ferne, doch das ihnen zugrundeliegende mechanistische Paradigma der Naturbezwingung prägte schon damals den Zeitgeist und befeuerte zugleich das gegenläufige Bestreben der deutschen Romantik, den Horizont für eine Wiederverzauberung der Natur zu erweitern. In dieser Gemengelage treiben Humboldt und Schelling ihre Forschungen mit jeweils unterschiedlichen Akzentuierungen voran. Die dem mechanistischen Paradigma eigene Gegenüberstellung von Subjekt und Objekt, Natur und Kultur bzw. Natur und Freiheit weisen dabei beide entschieden zurück. Für Humboldt gilt: „Man mag nun die Natur dem Bereich des Geistigen entgegensetzen, als wäre das Geistige nicht auch in dem Naturganzen enthalten, oder man mag die Natur der Kunst entgegenstellen“, eine solch radikale „Trennung des Physischen vom Intellectuellen“61 sei nicht gutzuheißen. Denn es bestehe eben kein dichotomer Gegensatz zwischen einer kausal determinierten Natur- und einer unabhängigen, allein durch menschliche Zwecke geprägten Kulturgeschichte. Entsprechend verortet Humboldt auch Freiheit nicht ausschließlich innerhalb der menschlichen Lebensform: „Die Natur aber ist das Reich der Freiheit“62 und „[v]ollkommenes Gedeihen und Freiheit sind unzertrennliche Ideen auch in der Natur“63. Erkenntnisoptimistisch und mit Leidenschaft vertreten beide, Humboldt und Schelling, ihre jeweils eigene und mindestens aus heutiger Sicht komplementäre Methode einer ganzheitlichen Betrachtungsweise der Natur.

Ganzheit und Einheit der Natur

Am 5. Juni 1799, dem Tag seines Aufbruchs zur großen Amerikareise, kündigt Humboldt es bereits an:

Ich werde Pflanzen und Foßilien sammeln, mit einem vortreflichen Sextanten von Ramsden, einem Quadrant von Bird, und einem Chronometer von Louis Berthoud werde ich nüzliche astronomische Beobachtungen machen können; ich werde die Luft chemisch zerlegen, – dieß alles ist aber nicht Hauptzwek meiner Reise. Auf das Zusammenwirken der Kräfte, den Einfluß der unbelebten Schöpfung auf die belebte Thier- und Pflanzenwelt; auf diese Harmonie sollen stäts meine Augen gerichtet seyn.64

Und auch seinem erst lange Zeit später veröffentlichten Lebenswerk, dem Kosmos, stellt er diesen seinen Hauptzweck abermals voran: „Was mir den Hauptantrieb gewährte, war das Bestreben die Erscheinungen der körperlichen Dinge in ihrem allgemeinen Zusammenhang, die Natur als ein durch innere Kräfte bewegtes und belebtes Ganzes aufzufassen.“65 Es ist für Humboldt das edelste Ziel jeder Naturforschung und seiner eigenen Bemühungen einer physischen Weltbeschreibung, die Einheit des Naturganzen aufzuspüren:

Die Natur ist für die denkende Betrachtung Einheit in der Vielheit, Verbindung des Mannigfaltigen in Form und Mischung, Inbegriff der Naturdinge und Naturkräfte, als ein lebendiges Ganze. Das wichtigste Resultat des sinnigen physischen Forschens ist daher dieses: in der Mannigfaltigkeit die Einheit zu erkennen, von dem Individuellen alles zu umfassen, was die Entdeckungen der letzteren Zeitalter uns darbieten, die Einzelheiten prüfend zu sondern und doch nicht ihrer Masse zu unterliegen […]. Auf diesem Wege reicht unser Bestreben über die enge Grenze der Sinnenwelt hinaus, und es kann uns gelingen, die Natur begreifend, den rohen Stoff empirischer Anschauung gleichsam durch Ideen zu beherrschen.66

Mit ‚beherrschen‘ meint Humboldt hier, dem Verständnis ihrer grundlegenden Einheit mittels einer „denkende[n] Betrachtung der durch Empirie gegebenen Erscheinungen, als eines Naturganzen“67 näher zu kommen. Auf ganz ähnliche Weise liegt für Schelling der höchste Sinn der Naturphilosophie in ihrem Beitrag zur ganzheitlichen Naturbetrachtung und bewussten Wiederherstellung der Einheit von Natur und Geist. Vor diesem Hintergrund bezeichnet etwa Adolf Meyer-Abich Schelling als den ersten großen Vertreter einer universalen Ganzheitstheorie.68 Ohne sie in Beziehung zu setzen, kennzeichnet Meyer-Abich sowohl die Position Schellings als auch die Position Humboldts als holistisch.69

Obwohl Humboldt die unüberwindliche Unvollendbarkeit der Naturwissenschaften anerkennt, strebt er im Sinne der ganzheitlichen Naturbetrachtung ein Buch von der Natur, seines erhabenen Titels würdig“ an, in dem „beide Sphären des einigen Kosmos (die äußere, durch die Sinne wahrnehmbare, wie die innere, reflectirte, geistige Welt) gleichmäßig an lichtvoller Klarheit gewinnen“70. Der Mensch sei überhaupt nur dazu in der Lage dieses reflektiert-abstrakte Buch über die Natur zu schreiben, weil er einen ursprünglichen, intuitiv-unmittelbaren Zugang zu ihr habe. Humboldt kann eine physische Weltgeschichte erzählen, „[d]enn in dem innersten, empfänglichen Sinne spiegelt lebendig und wahr sich die physische Welt […]: alles steht in altem, geheimnißvollem Verkehr mit dem gemüthlichen Leben [Gemüthsleben (C. P.)] des Menschen“71. So sei es zwar auf den ersten Blick der Mensch, der schreibe, messe und kartiere, aber es sei die Natur selbst, die diese Vorgänge überhaupt erst ermögliche, die eine Übereinstimmung von wissenschaftlichen Ergebnissen mit der äußeren Welt garantiere und diese letztendlich selbst mitproduziere.72 Michael Dettelbach fasst Humboldts Prozess des nature-writing wie folgt:

The characteristic product of Humboldtian Science is the map of physical lines, tracing heat, magnetic intensity, organic diversity. Now we know why: isoline maps were demonstrations […] of the universality and naturalness of Nature, of precise measurement, and so the truth of a universal language which is spoken by Nature and guarantees the possibility of measuring: with sufficiently sensitive instruments operated by sufficiently sensitive observers, attentive to the quality of observation, Nature’s own basic script could be made to write itself. This is the importance of drawing lines, of mapping, not just measuring and calculating; and this is what distinguished Humboldtian Science from other work in physique générale.73

Die von Humboldt in seinen Ansichten der Natur angeregte Erforschung einer Physiognomie der Natur stehe für eine ganz besondere Form des nature-writing, da sie der Natur ein menschliches Antlitz verleihe, das die zugängliche und kultivierte Seele unmittelbar anspreche und somit auf eine ursprüngliche Identität von Natur und Geist verweise:

That nature had a physiognomy demonstrated the deep and unspeakable identity between nature, even in its most extreme and characteristic manifestations, and the human mind. A natural physiognomy guaranteed the global legibility of nature, ensured that nature and the mind spoke the same language.74

In diesem Sinne betrachtet Schelling Natur als „ein Gedicht, das in geheimer wunderbarer Schrift verschlossen liegt“75, das der Mensch aber im Zuge der bewussten Wiedervereinigung von Natur und Geist durch gemeinsame Anstrengungen von Naturforschung und Naturphilosophie zu entziffern vermöge, insofern er die Geschichte des menschlichen Geistes in der Natur nachvollziehe:

Die äußere Welt liegt vor uns aufgeschlagen, um in ihr die Geschichte unseres Geistes wieder zu finden. Wir werden also in der Philosophie nicht eher ruhen, als wir den Geist zum Ziel alles seines Strebens, zum Selbstbewußtseyn, begleitet haben. Wir werden ihm von Vorstellung zu Vorstellung, von Produkt zu Produkt bis dahin folgen, wo er zuerst von allem Produkt sich losreißt, sich selbst in seinem reinen Thun ergreift, und nun nichts weiter anschaut als sich selbst in seiner absoluten Thätigkeit.76

Allerdings bilde für dieses Unterfangen eine Perspektive der Ganzheit, Einheit oder absoluten Identität die Grundvoraussetzung, denn nur

[s]olange ich selbst mit der Natur identisch bin, verstehe ich was eine lebendige Natur ist so gut, als ich mein eigenes Leben verstehe; begreife, wie dieses allgemeine Leben der Natur in den mannichfaltigsten Formen, in stufenmäßigen Entwicklungen, in allmählichen Annäherungen zur Freiheit sich offenbaret; sobald ich aber mich und mit mir alles Ideale von der Natur trenne, bleibt mir nichts übrig als ein todtes Objekt und ich höre auf, zu begreifen, wie ein Leben außer mir möglich sey.77

Hier wird abermals die primär erkenntnistheoretische Motivation Schellings offenkundig.

WERDEN oder dynamische Stufenfolge der Natur

Schelling beabsichtigt die Einheit von Natur und Geist epistemologisch aus der dem Menschen eigenen Natur heraus zu erklären: „Denn in mir ist jene nothwendige Vereinigung des Idealen und Realen, des absolut Thätigen und absolut Leidenden […], ursprünglich, ohne mein Zuthun, da, und eben darin besteht meine Natur.78 Die ursprüngliche Vereinigung von Geist und Natur liege im Wesen einer individuellen Natur, einer sich selbst organisirenden Materie.79 Ebenso bestehe auch die Notwendigkeit, mit welcher der Mensch nicht-humane Lebewesen als zweckmäßig zu denken genötigt sei, aufgrund der inneren Gesetze seiner individuellen Natur. Zugleich aber seien bei Lebewesen „Begriff und Gegenstand, Form und Materie […] nicht in unserer Vorstellung, sondern im Objekt selbst ursprünglich und nothwendig vereinigt“80, doch stelle dieses wiederum ein nur durch den menschlichen Verstand vollziehbares Urteil dar. Im Zuge dieser großen Synthesis von Natur und Geist werde die Philosophie genetisch und betrachte das System der Vorstellungen nicht mehr „in seinem Seyn, sondern in seinem Werden81. Schelling begreift Natur als unendliche Tätigkeit, als Einheit von natura naturans und natura naturata, Produktion und Produkt. So wird die Identität von Produktivität und Produkt im Begriff der Natur ausgedrückt, gemäß dem die Natur ein von sich selbst Ursache und Wirkung seiendes Ganzes ist.82 Anders als der deutsche Idealismus verortet Schelling in seiner frühen Naturphilosophie die Einheit von Natur und Geist gerade nicht einseitig a priori im Geist, sondern vollzieht die absolute Identität von Natur und Geist als naturkulturgeschichtliche Genese nach, bei der er der Natur sogar ein gewisses Primat einräumt. Man mag es mit Humboldt als „Naturkunde des Geistes“83 bezeichnen, wenn Schelling darüber sinniert, inwiefern nicht nur die Erde, sondern das ganze Universum an der Entstehung menschlichen Bewusstseins teilhatte:

Zu dem Menschen hat das gesammte Weltall mitgewirkt. […] Wir müssen freilich annehmen, daß die Erde der Entstehungspunkt für den Menschen ist – warum, daß wissen wir nicht, es geht in Verhältnisse zurück, die wir nicht übersehen, aber der Mensch ist darum nicht speciell ein Produkt der Erde – er ist ein Produkt des ganzen Processes –, nicht die Erde allein, das ganze Weltall ist bei ihm betheiligt.84

Ebenso versteht Humboldt die Natur nicht als statische, sondern erblickt im gesamten Gefüge von Naturbeschreibung und Naturgeschichte ein ewiges Werden, eine niemals endende Bewegung in der kosmischen wie der tellurischen Natur: „Das Seiende ist aber, im Begreifen der Natur, nicht von dem Werden absolut zu scheiden: denn nicht das Organische allein ist ununterbrochen im Werden und Untergehen begriffen, das ganze Erdenleben mahnt, in jedem Stadium seiner Existenz, an die früher durchlaufenen Zustände.“85 An der reinen Empirie kritisiert Humboldt diesbezüglich ihre Neigung, „die Kette der Naturbegebenheiten zerrissen zu wähnen, in der Gegenwart die Analogie mit der Vergangenheit zu verkennen“86 und begrüßt demgegenüber die Bemühungen der „philosophische[n] Naturkunde […], in dem Wechsel der Erscheinungen die Gegenwart an die Vergangenheit anzureihen“87.

Die unendliche Tätigkeit der Natur, ihre absolute Produktivität, manifestiert sich in Produkten verschiedenster Art. Schellings dynamische Stufenfolge der Natur ist vergleichbar mit Arthur O. Lovejoys Great Chain of Being, ein hierarchischer Stufenbau, der alle irdischen Entitäten in einen einheitlichen Prozess und Allzusammenhang einbettet und eine metaphysische Spaltung von menschlicher Lebensform und nicht-humanen Lebensformen zurückweist.88 In der Entwicklung von den einfachsten bis hin zu den komplexesten Lebensformen gebe es keine harten Brüche. Unterbrechungen zwischen anorganischer, organischer und selbstbewusster Natur seien vielmehr graduell und mit Blick auf die Naturprodukte gegeben, während auf der grundlegenderen Ebene der Naturproduktivität absolute Kontinuität in der Natur und zwischen den Übergängen ihrer Stufen herrsche: „Was in den Kreisen des Lebens und aller inneren treibenden Kräfte des Weltalls so unaussprechlich fesselt, ist minder noch die Erkenntniß des Seins, als die des Werdens; sei dies Werden auch nur […] ein neuer Zustand des schon materiell Vorhandenen.“89 Weil die dynamische Stufenleiter der Natur eine einzige Einheit abbilde, sei also selbst für den Bereich des Anorganischen anzunehmen, dass er analog zum Organischen funktioniere.90

Bei beiden ist der Organismusbegriff wesentlich für ihr Holismusverständnis, das Schelling mit der Idee einer absoluten Produktivität und Humboldt mit der Vision einer All-Belebtheit kennzeichnet: „In den Wäldern des Amazonenflusses wie auf dem Rücken der hohen Anden erkannte ich, wie von Einem Hauch beseelt von Pol zu Pol nur ein Leben ausgegossen ist, in Steinen, Pflanzen, Tieren und in des Menschen schwellender Brust.“91

Für Schelling ist die Entwicklung der Natur zugleich auch sich entwickelnder Geist und er betrachtet den gesamten Werdegang der Natur, die erst im Menschen beginnen könne, sich denkend einzuholen. Denn die Natur durchwaltend liege er bereits in den grundlegenden Strukturen anorganischer Materie, in den organischen Strukturen pflanzlicher Lebewesen und in weiter ausdifferenzierten Formen nicht-humaner Lebewesen vor, bevor er sich schließlich im Menschen selbst bewusst werde.92

Vor dem Hintergrund dieser Einsicht fordert Humboldt, „der erhabenen Bestimmung des Menschen eingedenk, den Geist der Natur zu ergreifen, welcher unter der Decke der Erscheinungen verhüllt liegt“93. Schließlich bringt Schelling seine Erkenntnis auf die wunderbare Formel: „Die Natur soll der sichtbare Geist, der Geist die unsichtbare Natur seyn.“94

Geheimnisvolles Band oder Naturgeschichte des Geistes

Zu der Schwierigkeit der unendlichen Mannigfaltigkeit der Phänomene und ihrer Zusammenhänge gesellt sich das grundsätzliche Problem der Fassbarkeit ihrer Einheit mit wissenschaftlichen Instrumentarien. Wo Schelling mit philosophisch etablierten Begrifflichkeiten an eine Grenze gelangt, verweist er unter Zuhilfenahme einer Metapher auf das einheitliche Strukturprinzip, von dem er annimmt, es liege der Natur als Gesamtorganismus oder Kosmos zugrunde. Mit der Metapher des geheimen Bandes sucht er die wesensmäßige Identität von Natur und Geist darzustellen. Die Verbindung zwischen Natur und Geist sei eben nicht kontingent:

Denn wir wollen, nicht daß die Natur mit den Gesetzen unsers Geistes zufällig (etwa durch Vermittlung eines Dritten) zusammentreffe, sondern daß sie selbst nothwendig und ursprünglich die Gesetze unsers Geistes – nicht nur ausdrücke, sondern selbst realisire, und daß sie nur in so fern Natur seye und Natur heiße, als sie dies thut.95

Das von Humboldt beschriebene allgemeine Lebensprinzip, die Wesensgleichheit oder entwicklungsgeschichtliche Isomorphie, begreift Schelling darüber hinaus epistemologisch als Übereinstimmungsgrund von Ding und Vorstellung, den er schließlich als absolute Identität von Natur und Geist ausweist. „Hier also, in der absoluten Identität des Geistes in uns und der Natur außer uns“, löse sich die Problemstellung, „wie eine Natur außer uns möglich sey“96 auf. Somit werde erklärbar, weshalb die Natur nicht nur zufällig mit den, auch jeglicher Naturforschung zugrunde liegenden, Erkenntnisprinzipien des Menschen übereinstimme, sondern aufgrund dessen, dass sie ebenso wie der Mensch auf demselben Prinzip basiere.97 Natur und Geist seien durch ein geheimes Band, eine Art strukturisomorphe Einheit bzw. eine Form von Wesensidentität von Realem und Idealem verbunden. Der Mensch sei ebenso wie nichthumane Lebewesen ein Organismus und in allen Organismen seien dieselben Gesetze verwirklicht. Diese von Schelling postulierte Einheit soll eine Erklärung dafür bieten, dass der organische Naturbegriff nicht nur im Denken existiert, sondern seine allgemeine Struktur auch in individuellen Lebewesen verkörpert ist, obwohl er hinwiederum nur von denkenden Subjekten formuliert werden kann. Auf der Basis des organischen Naturbegriffs und selbst eingebettet in den grundlegenden Lebenszusammenhang kann der Mensch somit nicht nur logisch-abstrakte, sondern real-objektive Urteile bezüglich individueller Lebewesen generieren.98

In den Einleitenden Betrachtungen über die Verschiedenartigkeit des Naturgenusses im ersten Band des Kosmos übernimmt Humboldt die Band-Metapher:

So leiten dunkle Gefühle und die Verkettung sinnlicher Anschauungen, wie später die Thätigkeit der combinirenden Vernunft, zu der Erkenntniß, welche alle Bildungsstufen der Menschheit durchdringt, daß ein gemeinsames, gesetzliches und darum ewiges Band die ganze lebendige Natur umschlinge.99

Humboldt untersucht in erster Linie das Band der Wechselbeziehungen zwischen anorganischer Materie, Pflanzen und Tieren: „Die Form dieser Typen, die Gesetze dieser Beziehungen und die ewigen Bande zu bestimmen, durch welche die Erscheinungen des Lebens mit den Phänomenen der unbelebten Natur verknüpft sind: das ist das zentrale Problem für eine Physik der Erde.“100 Allerdings dehnt auch er seine Perspektive von der unbelebten und belebten nicht-humanen Natur aus und beschreibt deren tiefe Verbindung mit der menschlichen Lebensform als „Innigkeit des Bandes, welches beide Sphären, die physische und die Sphäre der Intelligenz und der Gefühle, mit einander verknüpft“101. Für Schelling ist „jenes geheime Band, das unsern Geist mit der Natur verknüpft“102 dadurch charakterisiert, dass es beide in einen historischen Entwicklungszusammenhang stellt und so ein „in der Wirklichkeit […] unauflöslich verkettetes Ganzes“103 verbürgt. Mit dem geheimen Band oder der Copula, die „die Allheit, die Einheit und die Identität“104 der Dinge gewährleistet, drückt Schelling jedoch nicht aus, dass alles gleich, einerlei oder nur in der geistigen Sphäre zu verorten wäre,105 sondern betont vielmehr – wie stets auch Humboldt –, dass alles „in der wirklichen Natur nicht vereinzelt“106 zu betrachten sei. Humboldt hebt zudem die Idee einer reziproken Interdependenz von Natur und Geist hervor, der gemäß Naturgeschichte immer auch Kulturgeschichte und Kulturgeschichte stets auch Naturgeschichte beinhalte. In den Ideen zu einer Geographie der Pflanzen spricht er diese Auffassung unter explizitem Verweis auf Schelling an:

So greifen die Pflanzen gleichsam in die moralische und politische Geschichte des Menschen ein: denn wenn Geschichte der Naturobjekte freylich nur als Naturbeschreibung gedacht werden kann, so nehmen dagegen, nach dem Ausspruche eines tiefsinnigen Denkers (Schelling’s System des transcendentalen Idealismus, S. 413), selbst Naturveränderungen einen ächt historischen Charakter an, wenn sie Einfluß auf menschliche Begebenheiten haben.107

Die intellektuell versiertere Ahnung von der Einheit von Natur und Geist, die sich seiner Naturforschung und insbesondere Schellings Naturphilosophie nach in der nun mit Selbstbewusstsein ausgestatteten Natur Bahn breche, findet Humboldt in weniger elaborierter Form auch in der indigenen Welt vor:

Ein dumpfes, schauervolles Gefühl von der Einheit der Naturgewalten, von dem geheimnißvollen Bande, welches das Sinnliche und Uebersinnliche verknüpft, ist […] (und meine eigenen Reisen haben es bestätigt) selbst wilden Völkern eigen. Die Welt, die sich dem Menschen durch die Sinne offenbart, schmilzt, ihm selbst fast unbewußt, zusammen mit der Welt, welche er, inneren Anklängen folgend, als ein großes Wunderland, in seinem Busen aufbaut.108

Mit der Metapher des geheimen resp. geheimnisvollen oder ewigen Bandes verweisen Schelling und Humboldt auf etwas, das sich dem Vermögen entzieht, mit der Sprache transportiert oder gar mit Messinstrumenten eingefangen zu werden. Hier stoßen beide Wissenschaftler an eine Grenze, die sie anerkennen und die sie beide – auf jeweils andere Art und Weise – sich einem ästhetisch-künstlerischen Naturzugang zuwenden lässt.

Naturgemälde oder ästhetische Epistemologie

Während Humboldt als Naturkundler hauptsächlich Naturforschung und Schelling als Philosoph überwiegend denkende Naturerkenntnis betreiben,109 schreiben beide der Kunst als ästhetischem Naturzugang eine hervorzuhebende und für die angestrebte Wiedervereinigung von Natur und Geist maßgebliche Bedeutung zu. Hermann Noack führt aus, inwiefern für Humboldt

objektiv-wissenschaftliche und subjektiv-ästhetische Darstellung nicht nur nicht in einem Streit miteinander liegen, sondern daß beide ‚naturwahr‘ sein können, also erst zusammen die ganze Wahrheit herausstellen. Es ist die klassizistisch-idealistische Idee der Harmonie von Natur und Kunst, wie sie auch in Schellings berühmtem Vortrag Ueber das Verhältnis der bildenden Künste zu der Natur (1807) verkündet wird.110

Im System des transcendentalen Idealismus (1800) kommt Schelling zu dem Ergebnis, dass „[d]ie Natur, als Ganzes sowohl, als in ihren einzelnen Produkten, wird als ein mit Bewußtseyn hervorgebrachtes Werk, und doch zugleich als Produkt des blindesten Mechanismus erscheinen müssen“, „als Produkt einer zugleich bewußten und bewußtlosen Thätigkeit“111. Bezeichnenderweise beschließt Schelling diese Schrift mit einem Verweis auf das Kunstwerk und die ästhetische Produktion. Während die Transzendentalphilosophie ihrem Aufgabenbereich gemäß nur die Bedingungen der Möglichkeit von Naturerkenntnis herauszustellen vermag, schreibt Schelling der bildenden Kunst, die er als werkthätige oder schaffende Wissenschaft bezeichnet, weiterführendes Potenzial zu. Denn in der Kunsttätigkeit des Menschen werde das dem Erkenntnisweg der Naturwissenschaften und auch der Philosophie weitgehend unzugänglich bleibende „thätige[…] Band“112 zwischen Mensch und Natur erstmals ausdrückbar. Da künstlerische Kreativität und philosophische Reflexion die höchste Organisations- und Entwicklungsstufe aller Naturkräfte darstellen, sei das Bewusstsein des Künstlers und des Philosophen von der Natur nichts weniger als die Selbstbewusstwerdung der Natur durch Künstler und Philosoph.113 Im Rahmen menschlicher Kunsttätigkeit könne also eine vergleichbare Vereinigung von bewusstloser und bewusster Produktion gelingen, die den wirklich lebendigen Vermittlungszusammenhang auszudrücken vermöge und so Natur als Wirklichkeit aus sich selbst heraus begreifbar werden lasse. Die Kunst lasse sichtbar werden, was durch das Denken kaum mehr begriffen werden könne, und offenbare so Natur als bewusstlose Poesie und Kunst als selbstbewusste Naturthätigkeit.114

Wieder mit direkter Bezugnahme auf Schelling positioniert sich Humboldt zur vorgenannten Beschreibung:

Nicht ein todtes Aggregat ist die Natur: sie ist ‚dem begeisterten Forscher (wie Schelling in der trefflichen Rede über die bildenden Künste sich ausdrückt) die heilige, ewig schaffende Urkraft der Welt, die alle Dinge aus sich selbst erzeugt und werkthätig hervorbringt‘.115

Humboldt seinerseits gilt Kunst als probates Mittel der Erkenntniskritik und ebenso als Tor zu sprachlich kaum mehr darstellbaren Dimensionen: „Bei allem Reichthum und aller Biegsamkeit unserer vaterländischen Sprache, ist es doch ein schwieriges Unternehmen, mit Worten zu bezeichnen, was eigentlich nur der nachahmenden Kunst des Malers darzustellen geziemt.“116 In einem Brief an Goethe vom Jahr 1810 beschreibt er sein Ansinnen, „eine glückliche Mischung des Einzelnbeachtenden, des Empfundenen und des Abstrakten“ zu erzielen und fordert:

Die Natur muss gefühlt werden; wer nur sieht und abstrahiert, kann ein Menschenalter, im Lebensgedränge der glühenden Tropenwelt, Pflanzen und Tiere zergliedern, er wird die Natur zu beschreiben glauben, ihr selbst aber ewig fremd sein.117

Vor diesem Hintergrund sei es so wichtig, den „alten Bund des Naturwissens mit der Poesie und dem Kunstgefühl“118 wiederzubeleben, weshalb er Goethes Unterfangen, „das Bündniß zu erneuern, welches im Jugendalter der Menschheit Philosophie, Physik und Dichtung mit Einem Bande umschlang“119 großes Lob beimisst.

Zu Humboldts Beförderung einer ästhetischen Naturkunde und sinnlichen Erkenntnismethode ließe sich viel und lang berichten. Er integriert Kunst und Wissenschaft als komplementäre Zugangsweisen zur Natur, setzt sich mit dem Konzept des Erhabenen bei Immanuel Kant und Edmund Burke auseinander, verfasst diverse international wirksame Beiträge zur Landschaftsmalerei, kreiert selbst das Genre des Naturgemäldes als tableau physique und vieles mehr. An dieser Stelle ist jedoch nur das Verhältnis von Humboldt’schem und Schelling’schem Naturgemälde zu skizzieren.

Die Konzeption von Humboldts Naturgemälde des tableau physique steht wie die darüber transportierte Einheit der Landschaft in enger Verbindung zu Darstellungen holistischer Strukturen der deutschen Romantik.120 Mit dem tableau physique beabsichtigt Humboldt nicht, ein Abbild des gegenwärtigen Seins physischer Realität zu kreieren, sondern unternimmt vielmehr den Versuch einer abstrakten Darstellung des für die Sinne andernfalls nur indirekt wahrnehmbaren, genealogischen Werdens der Natur.121

Im Naturgemälde des Kosmos verweist Humboldt abermals auf die nötige Komplementierung seiner Naturforschung durch die Naturphilosophie – „Ich bezeichne nur den empirischen Weg […], erwartungsvoll, daß man uns, wie einst, nach Plato’s Ausspruch, Sokrates es forderte, ‚die Natur nach der Vernunft auslege‘.“122 Die Erfüllung dieser Erwartung hatte er bereits Jahrzehnte zuvor durch Schelling erhofft, von dem er sich laut seiner Vorrede zu den Ideen zu einer Geographie der Pflanzen ein naturphilosophisches Naturgemälde von ganz anderer und gleichsam höherer Art versprach:

Dem Felde der empirischen Naturforschung getreu, dem mein bisheriges Leben gewidmet gewesen ist, habe ich auch in diesem Werk die mannichfaltigen Erscheinungen mehr nebeneinander aufgezählt, als, eindringend in die Natur der Dinge, sie in ihrem innern Zusammenwirken geschildert. Dieses Geständniß, welches den Standpunkt bezeichnet, von welchem ich beurtheilt zu werden hoffen darf, soll zugleich auch darauf hinweisen, daß es möglich seyn wird, einst ein Naturgemälde ganz anderer und gleichsam höherer Art naturphilosophisch darzustellen. Eine solche Möglichkeit nähmlich, an der ich vor meiner Rückkunft nach Europa fast selbst gezweifelt; eine solche Reduction aller Naturerscheinungen, aller Thätigkeit und Gebilde, auf den nie beendigten Streit entgegengesetzter Grundkräfte der Materie, ist durch das kühne Unternehmen eines der tiefsinnigsten Männer unseres Jahrhunderts begründet worden. Nicht völlig unbekannt mit dem Geiste des Schellingschen Systems, bin ich weit von der Meynung entfernt, als könne das ächte naturphilosophische Studium den empirischen Untersuchungen schaden, und als sollten ewig Empiriker und Naturphilosophen als streitende Pole sich einander abstoßen.123

Vor diesem Hintergrund interpretiert Michael Dettelbach sowohl Humboldts Ideen zu einer Geographie der Pflanzen nebst einem Naturgemälde der Tropenländer als auch Schellings Ideen zu einer Philosophie der Natur als Naturgemälde, „die die inneren Empfindungen ihres Publikums ansprachen“124. Obwohl er selbst keinen Bezug zu Schelling herstellt, ist Hartmut Böhmes Analyse von Humboldts tableau physique offenkundig eine Schelling’sche Interpretation, wenn er zum einen feststellt, das Naturgemälde werde erst durch intellektuelle Anschauung125 erzeugt, und zum anderen die Humangeschichte als „kulturelle Sphäre einer immer umfassenderen Synthese von Natur und Geist“ ausweist, „bis schließlich die Natur zum Ausdruck des Geistes und der Geist zum Ausdruck der Natur wird“126.

Dass Schelling sein Naturgemälde nicht entsprechend seiner frühen Naturphilosophie und den damit einhergehenden Erwartungen Humboldts weiter ausarbeitete, sondern sich stattdessen einer immer nebulöser werdenden Philosophie verschrieb, bleibt eine bedauernswerte historische Tatsache. Erfreulicherweise ist Humboldt seinem Forschungsinteresse und seiner transdisziplinären Methodik treu geblieben und hat im Rahmen seiner Naturforschung umfangreiche für uns heute noch relevante Beobachtungen anthropogener Einflüsse auf die nicht-humane Natur sowie Wechselwirkungen zwischen Natur und Kultur zusammengetragen.

Exkurs: Humboldts humanökologische Beobachtungen

Auf seinen ausgedehnten Expeditionsreisen hat Humboldt seine Forschungen bereits deutlich vor der Prägung des Begriffs „Ökologie“127 durch Ernst Haeckel an ökologischen Prämissen und Zielen ausgerichtet. In diversen Publikationen wird er daher als Pionier der (natur)wissenschaftlichen Fachdisziplin „Ökologie“ benannt.128 Doch über den ökologisch-naturwissenschaftlichen Denkansatz weist Humboldt bemerkenswert deutlich hinaus. Da seine auf Beobachtung basierenden Schilderungen von Landnutzung und Wasserwirtschaft, Populationsverteilung und Biodiversität sowie klimatischen Veränderungen zumeist auch ästhetische und/oder ethische Aspekte wie außerdem die Wechselwirkungen zwischen Menschen und ihrer Umwelt im Blick haben, kann Humboldt ferner als Vorreiter der Humanökologie angesehen werden.

Eine bis zur Proklamation des Anthropozäns ausufernde Einflussnahme des Menschen auf den gesamten Planeten hat Humboldt nicht erahnen können; allerdings war er bereits vor Einsetzen der Industrialisierung in Deutschland besonders sensibel für die spezielle Einflussnahme des Menschen auf die Naturgeschichte.129 Er hatte ein ausgeprägtes Bewusstsein für das Natur bisweilen stark überformende Potenzial des Menschen sowie für die damit einhergehenden Gefahren. Verschiedenste anthropogene Einflussnahmen sind von Humboldt beobachtet, dokumentiert, kritisch hinterfragt und teilweise angeprangert worden. Auch seine besondere Hervorhebung der grundlegenden Konnektivität von Natur und Kultur verdeutlicht einmal mehr die Tiefe und interdisziplinäre Ausrichtung seines Forschungsansatzes. Humboldts besonderes Gespür für ökologisch-kulturelle Zusammenhänge geht auf vielfältige Weise aus seinem umfangreichen Werk hervor und eröffnet einen Blick auf die Hintergründe der gegenwärtigen ökologischen Krise.

In seinen Ideen zu einer Geographie der Pflanzen beobachtet er bereits 1807 auf europäischen Äckern den Trend, dass die heimische Kulturpflanzendiversität durch den vermehrten Anbau von Monokulturen reduziert wird und kritisiert landwirtschaftliche Praktiken, die gebietsfremde Arten einführen und zulassen, dass sich diese zu invasiven, d. h. heimische Arten bedrohenden, entwickeln:

Indem der Ackerbau die Herrschaft fremder eingewanderter Pflanzen über die einheimischen begründet, werden diese nach und nach auf einen engen Raum zusammengedrängt. So macht die Kultur den Anblick des europäischen Bodens einförmig, und diese Einförmigkeit ist den Wünschen des Landschaftmalers, wie denen des im Freyen forschenden Botanikers, gleich entgegen. Zum Glücke für beyde ist aber dieß scheinbare Übel nur auf einen kleinen Theil der gemäßigten Zone eingeschränkt, in welchem Volksmenge und moralische Bildung der Menschen am meisten zugenommen haben. In der Tropenwelt ist menschliche Kraft zu schwach, um eine Vegetation zu besiegen, welche den Boden unserem Auge entzieht und nichts unbedeckt läßt, als den Ocean und die Flüsse.130

In dieser Passage wird die für Humboldt typische Denkungsart bereits deutlich: Er formuliert nicht nur einen kritischen Aspekt, sondern verknüpft diesen unmittelbar mit diversen Perspektiven und stellt ihn in einen größeren Gesamtzusammenhang. In wenigen Sätzen stellt er eine Verbindung zwischen den Auswirkungen der Agrokultur auf die heimische Biodiversität, die Kunst und die Wissenschaft her, verweist auf ihre klimarelationalen, demographischen und zivilisatorischen Ursachen und zeigt zugleich ein komplexes Mensch-Natur-Verhältnis auf. Mit Blick auf das Kräfteverhältnis von Mensch und Tropenwelt revidiert er allerdings im sechsten Teil des gemeinsam mit seinem Reisebegleiter Aimé Bonpland im Jahr 1829 publizierten Reiseberichts seine Einschätzung, da ihm problematische kulturelle Eingriffe in die Natur auch in den Regionen tropischer Länder begegnet sind, „in welchen die unvorsichtige Thätigkeit der Europäer die Ordnung der Natur umgekehrt“131 und zu Wasser- und Lebensmittelknappheit geführt hat. Humboldt beobachtet weitere, aus kolonialen Herrschaftsstrukturen hervorgehende ökologische Probleme, die durch einen Verzicht darauf, Natur gewaltsam zu dominieren, einfach hätten vermieden werden können: Auf seiner Venezuelareise im April 1800 berichtet er etwa von dem Versuch, den Rio Apure zu begradigen und zu stauen. Für ihn ist offenkundig, dass die Bemühungen, den Verlauf des Wassers aus seinem natürlichen Flussbett heraus zu zwingen, nur verstärkte Überflutungen zur Folge haben können. Auf derartig rabiates und insofern verfehltes Naturmanagement beim Wasserbau trifft Humboldt nicht nur in Venezuela, sondern auf diversen Stationen seiner Reisen. Insofern moniert er mit Blick auf wasserbauliche Maßnahmen in

allen Welttheilen dieselbe Thorheit; statt dem Fluß nachzugeben und seiner mächtigen Natur zu folgen, will man ihn beherrschen und macht ihn doppelt schädlich durch Zwang […]. Wo ansiedelnde Menschen Bäume ausrotten, da zieht sich der Strom nach dem geschwächten Ufer hin.132

Den hier außerdem angeführten Hinweis auf den Zusammenhang von Wasserverlust und Waldrodung macht Humboldt auch an dem stetig weniger Wasser führenden venezuelischen Valencia-See aus. In seinem Tagebuch notiert er hierzu: „[…] unbegreiflich, daß man im heißen, im Winter wasserarmen Amerika so wüthig als in Franken abholzt (desmonta) und Holz- und Wassermangel zugleich erregt.“133 Schließlich weist er auf die Wasser speichernden und Temperatur regulierenden Funktionen von intakten Wäldern hin, die durch Rodungen außer Kraft gesetzt werden:

Wälder (Pflanzen) bringen nicht nur Wasser hervor, geben eine große, neuerzeugte Wassermasse durch ihre Ausdünstungen in die Luft, sie schlagen nicht nur, da sie Kälte erregen (indem sie der Atmosphäre Wärmestoff entziehen, den sie mit Sauerstoff verbunden, zurückgeben […]) Wasser aus der Luft nieder und vermehren den Nebel, sondern sie werden vornehmlich wohltätig dadurch, dass sie schattengebend die Verdünstung der durch periodische Regenschauer gefallenen Wassermasse verhindern.134

Nicht zuletzt aus ethischen Gerechtigkeitserwägungen, in die er nicht nur die zu seiner Zeit lebende Bevölkerung, sondern auch zukünftige Generationen mit einbezieht, mahnt Humboldt mit Blick auf die Rodung von kostbaren Wäldern zur Zurückhaltung: „Fällt man die Bäume, welche Gipfel und Abhänge der Gebirge bedecken, so schafft man in allen Klimazonen kommenden Geschlechtern ein zwiefaches Ungemach: Mangel an Brennholz und Wassermangel.“135

Aus dieser rhapsodischen Zusammenstellung geht hervor, dass Humboldt schon im 19. Jahrhundert auf die Hintergründe und Zusammenhänge menschengemachter ökologischer Problemstellungen wie Überflutungsszenarien, Dürre- und Hitzeproblematiken sowie Holz- und Wassermangel hingewiesen hat, die uns heute weiterhin – allerdings auf drastischere Weise – herausfordern.

In seinem Buch Central-Asien. Untersuchungen über die Gebirgsketten und die vergleichende Klimatologie (1844) erläutert Humboldt wie der Mensch „durch Fällen der Wälder, durch Veränderung in der Vertheilung der Gewässer und durch die Entwicklung großer Dampf- und Gasmassen an den Mittelpunkten der Industrie“136 das Klima beeinflusst. Gemäß den Untersuchungen Frank Holls werden hier die anthropogenen Einflüsse auf das Klima erstmalig sachlich richtig sowie vollständig beschrieben.137 Allerdings waren die Ausmaße des menschlichen Einflusses auf das Klima zu den vorindustriellen Zeiten Humboldts noch so moderat, dass er an ihnen nichts allzu Bedrohliches finden konnte:

Diese Veränderungen sind indes weniger erheblich, als man allgemein annimmt, weil die wichtigsten von den zahllos verschiedenen, zugleich wirkenden Ursachen, von denen der Klimatentypus abhängt, nicht auf kleine Örtlichkeiten beschränkt sind, sondern von dem Verhältnis der gegenseitigen Länderstellung, ihrer Konfiguration, Höhe und dem Vorherrschen gewisser Winde abhängig sind, auf welche die Zivilisation keinen merklichen Einfluß ausübt.138

Doch auch wenn Humboldt sich nicht veranlasst sehen konnte, einem menschengemachten Klimawandel entgegenzusteuern, hat er mit seinen Klimastudien und der Erläuterung klimatischer Zusammenhänge Erkenntnisse der modernen Klimaforschung139 vorbereitet und uns auch in diesem Kontext auf eine nicht zu vernachlässigende Komplexität – hier die des Klimasystems der Erde – hingewiesen. Nach jahrzehntelang praktizierter Erdüberlastung, wissenschaftlicher Selbstüberschätzung, politischer Ignoranz oder persönlicher Nachlässigkeit sind wir heute mit Blick auf dieses komplexe System im Ungewissen und können kaum beurteilen, ob wir möglicherweise irreversible Kipp-Punkte (tipping points140) bereits überschritten haben.

Für einen weiteren Bereich aktueller ökologischer Herausforderungen, namentlich die globale Populationsverteilung von Flora und Fauna, hat Humboldt ebenfalls wertvolle Einsichten generiert. Aus seinen Beobachtungen geht hervor, dass Menschen nicht nur durch Landschaftsgestaltung wie Wasser- und Ackerbau die lokale Umwelt überformen, sondern auch weitreichenden Einfluss auf die globale Verteilung von Lebewesen nehmen, die ihrerseits zu teils massiven landschaftlichen Veränderungen beitragen.

Mit Blick auf die Verbreitung von Pflanzen schreibt er in den Ideen zu einer Geographie der Pflanzen: „Herbstwinde, Meeresströme und Vögel begünstigen diese Wanderungen; aber ihr Einfluß, so groß er auch ist, verschwindet gegen den, welchen der Mensch auf die Verbreitung der Gewächse auf dem Erdboden ausübt.“141 Weiter heißt es hier:

Einige Pflanzen, welche der Gegenstand des Garten- und Ackerbaues sind, haben seit den fernsten Jahrhunderten das wandernde Menschengeschlecht von einem Erdstriche zu dem andern begleitet. So folgte in Europa die Weinrebe den Griechen, das Korn den Römern, Baumwolle den Arabern. […] Ein Kirschbaum, mit reifen Früchten beladen, schmückte den Triumph des Lucullus. Die Bewohner Italiens sahen damals zuerst dieses asiatische Produkt, welches der Dictator nach seinem Siege über den Mithridates aus dem Pontus mitbrachte. Schon ein Jahrhundert später waren Kirschen gemein in Frankreich, in England und Deutschland. So verändert der Mensch nach Willkühr die ursprüngliche Verteilung der Gewächse und versammelt um sich die Erzeugnisse der entlegensten Klimate.142

Gebietsfremde Arten, die wie Humboldt richtig herausstellt, der Mensch nach Willkür – oder in Zeiten der Globalisierung immer stärker auch durch Unachtsamkeit – verbreitet, führen weltweit zu Schwierigkeiten hinsichtlich ihres Verdrängungspotenzials heimischer Arten. Gebietsfremde entwickeln sich nicht selten zu invasiven Arten und wachsen sich so zur Bedrohung lokaler und regionaler Biodiversität heran.

Dass die menschliche Kultur und das Sozialgefüge ebenso von der Umwelt geprägt werden, wie Kultur und Sozialgefüge ihrerseits die Umwelt überformen, erkennt Humboldt bereits früh und bringt diese Einsicht mit dem prominenten Ausspruch „Alles ist Wechselwirkung“143 auf den Punkt. Organismus und Umwelt seien relationale Begriffe, sie stehen in einer Beziehung wechselseitiger Vernetzung und Bedingtheit. Humboldt antizipiert hiermit die moderne ökologische Vorstellung von interaktiven Netzwerken als fundamentales Prinzip des globalen web of life.144 Seine Beobachtungen sind zumeist auch ethisch und ästhetisch sensitiv: Ob mit Blick auf Westeuropa, den amerikanischen Doppelkontinent oder Zentral-Asien – Humboldt ist auf seinen Forschungsreisen aufmerksam für die Verschlechterung von Zuständen, sowohl Menschen als auch die sie umgebende Umwelt betreffend. U. a. in seinen Reiseberichten stellt er die weitreichenden Verflechtungen und Abhängigkeiten zwischen Mensch, Kultur und Natur vielfach heraus. Aber auch in der Vorrede zur ersten Ausgabe seiner Ansichten der Natur bekräftigt er die unmittelbare Auswirkung des natürlichen Lebensraums auf das Gemüt seiner BewohnerInnen: „Ueberall habe ich auf den ewigen Einfluss hingewiesen, welchen die physische Natur auf die moralische Stimmung der Menschheit und auf ihre Schicksale ausübt.“145 Etwas konkreter erläutert er in den Ideen zu einer Geographie der Pflanzen:

So modificiren Klima und Boden, mehr noch als Abstammung, die Lage und die Sitten des Wilden. Sie bestimmen den Unterschied zwischen den beduinischen Hirtenvölkern und den Pelasgern der altgriechischen Eichenwälder, zwischen diesen und den jagdliebenden Nomaden am Mississippi.146

Humboldt versucht zu verdeutlichen, dass der Mensch auch als geistbegabtes Wesen umfänglich in die Natur eingebettet bleibt und trotz seiner herausragenden Fähigkeiten nicht nur in seinen Lebensgewohnheiten, sondern tiefgreifend durch die ihn umgebende Umwelt geprägt wird. Im Naturgemälde des Kosmos erklärt er, wie die „öde Einförmigkeit“ einer Umgebung „verarmend auf die physischen und intellectuellen Kräfte der Menschheit einwirkt“147. Er schildert diverse Einflussnahmen des Menschen auf die nicht-humane Natur ebenso wie die hieraus resultierenden Rückkopplungen auf menschliche Natur und Kultur. Ausgehend von der Beobachtung kultureller Differenzen in verschiedenen geographischen Zonen entwickelt Humboldt schließlich eine Idee des Zusammenspiels von Naturzerstörung und Kulturzerfall.148 Nicht zuletzt in dieser Hinsicht kritisiert er koloniale Praktiken, die nicht nur den Rückgang tropischer Diversität zu verantworten haben, sondern durch die erzeugte Einförmigkeit auch die Vorstellungskraft des menschlichen Geistes verkümmern lassen.

Es stimmt mindestens nachdenklich, dass die von Humboldt im 19. Jahrhundert aufgezeigten Missverhältnisse im Umgang des Menschen mit der Natur im 21. Jahrhundert nicht nur weiterhin bestehen, sondern vielmehr ausgeufert sind. Eine Rückbesinnung auf Humboldts Einsichten als Naturforscher des 18./19. Jahrhunderts lässt uns deutlich vor Augen treten, seit wie langer Zeit ein revisionsbedürftiges Mensch-Natur-Verhältnis unserem Handeln zugrunde liegt.

Weltgemälde oder Naturethik

Ein normativ wesentlicher Aspekt, der innerhalb der gegenwärtigen Natur- und Umweltethik hervorgehoben wird, betrifft das zu Beginn eingeführte zweckrationale Nutzenkalkül, das in der westlichen Welt aus einer szientifisch und philosophisch manifestierten Trennung zwischen Mensch und Natur hervorgegangen ist und seit der Moderne die Haltung des Menschen gegenüber der Natur kennzeichnet. In dieser Haltung vollzieht der Mensch seither sein dominantes und exploitatives Verhalten gegenüber der Natur.

Für eine Neujustierung der Stellung des Menschen im holistischen Gesamtgefüge weist Humboldt über sein Naturgemälde hinaus und bemüht das Bild eines Weltgemäldes:

Natur, in der vielfachen Deutung des Wortes, bald als Totalität des Seienden und Werdenden, bald als innere, bewegende Kraft, bald als das geheimnißvolle Urbild aller Erscheinungen aufgefaßt, offenbart sich dem einfachen Sinn und Gefühle des Menschen vorzugsweise als etwas Irdisches, ihm näher Verwandtes. Erst in den Lebenskreisen der organischen Bildung erkennen wir recht eigentlich unsere Heimath. Wo der Erde Schooß ihre Blüthen und Früchte entfaltet, wo er die zahllosen Geschlechter der Thiere nährt, da tritt das Bild der Natur lebendiger vor unsre Seele. Es ist zunächst auf das Tellurische beschränkt; der glanzvolle Sternenteppich, die weiten Himmelsräume gehören einem Weltgemälde an, in dem die Größe der Massen, die Zahl zusammengedrängter Sonnen oder aufdämmernder Lichtnebel unsere Bewunderung und unser Staunen erregen, dem wir uns aber, bei scheinbarer Verödung, bei völligem Mangel an dem unmittelbaren Eindruck eines organischen Lebens, wie entfremdet fühlen.149

Aus der viel größeren und den Menschen als nichtig erscheinen lassenden Perspektive des Weltgemäldes wird eine Kritik am Herrschaftsanspruch des Menschen über seine irdische Heimat, zu der er in einem existenziellen Abhängigkeitsverhältnis steht, nachvollziehbar. Mit aktuellem Vokabular könnte Humboldts nachfolgende Äußerung als Kritik an einem normativen Anthropozentrismus und als Befürwortung einer naturethisch holistischen Position interpretiert werden:

Hier [im Kosmos (C. P.)] wird nicht mehr von dem subjectiven Standpunkte, von dem menschlichen Interesse ausgegangen. Das Irdische darf nur als ein Theil des Ganzen, als diesem untergeordnet erscheinen. Die Naturansicht soll allgemein, sie soll groß und frei, nicht durch Motive der Nähe, des gemüthlicheren Antheils, der relativen Nützlichkeit beengt sein. Eine physische Weltbeschreibung, ein Weltgemälde beginnt daher nicht mit dem Tellurischen, sie beginnt mit dem, was die Himmelsräume erfüllt.150

Bei genauer Betrachtung wird auch in Schellings Analyse des Mensch-Natur-Verhältnisses eine normative Dimension ersichtlich. Dem sich über die Natur erhebenden Menschen scheine es zwar zu gelingen, diese zum bloßen Objekt seiner Erkenntnis wie zum für seine Zwecksetzungen verfügbaren Material zu marginalisieren; doch schlussendlich gefährde der Mensch mit dieser Haltung nur seine eigene Existenz:151

So ist denn der Anfang der Sünde, daß der Mensch aus dem eigentlichen Sein in das Nichtsein […] übertritt, um selbstschaffender Grund zu werden, und mit der Macht des Centri, das er in sich hat, über alle Dinge zu herrschen. […] Hieraus entsteht der Hunger der Selbstsucht, die in dem Maß, als sie vom Ganzen und von der Einheit sich lossagt, immer dürftiger, ärmer, aber eben darum begieriger, hungriger, giftiger wird. Es ist im Bösen der sich selbst aufzehrende und immer vernichtende Widerspruch, daß es kreatürlich zu werden strebt, eben indem es das Band der Kreatürlichkeit vernichtet, und aus Übermut, Alles zu sein, ins Nichtsein fällt.152

Mit Blick auf aktuelle ökologische Problemstellungen der Naturethik lässt sich diese Schilderung Schellings durchaus als Warnung verstehen, sich in seiner bewussten Tätigkeit als Mensch nicht selbstsüchtig von der bewusstlosen Produktivität der Natur abzuschneiden, so man der eigenen Vernichtung vorzubeugen gewillt ist.

Darüber hinaus birgt die naturphilosophische Position Schellings aber auch das Potenzial über anthropozentrisch fundierte Naturschutzbegründungen hinauszuweisen. Schelling konzediert etwa, dass der Mensch vor Naturzerstörung nicht zurückschreckt, denn „soweit nur immer die Natur menschlichen Zwecken dient, wird sie getödtet“153. Hierauf basierend kann gegenüber dem Menschen die Forderung erhoben werden, sich seiner Bestimmung durch Natur und Freiheit bewusst zu stellen und letztere im Einklang mit der ihn umgebenden Natur sowie in Verantwortung für diese zu verwirklichen. Schelling zufolge würde dies allerdings eine besondere Haltung erfordern, denn ein wirkliches Erkennen des Lebendigen könne „nicht bemerkt werden in jenem tölpischen oder auch hochmüthigen Wegfahren über Dinge; es gehört dazu der Zug innerer Liebe und Verwandtschaft des eignen Geistes mit dem Lebendigen der Natur“154.

Nach der zuvor geschilderten Ansicht Schellings setzt sich der Mensch durch philosophische Spekulation erstmals in einen Widerspruch zur Natur. Dieser Zustand der Entzweiung sei zwar ein unbefriedigender, doch gleichwohl ein für das Erreichen des höheren Zustands der bewussten Wiedervereinigung erforderlicher. Eine ‚gesunde’ Philosophie nutze die aus der Spekulation hervorgegangene Trennung nur als Mittel, um durch Freiheit zu einer höheren, bewussten Einheit zu gelangen.155 Ebenso wie die Auflösung des Gleichgewichts nur durch Freiheit möglich wurde, sei auch ihre Überwindung und die Wiederherstellung des Gleichgewichts nur durch Freiheit zu leisten. Wenn es dem Menschen also gelingen würde, gewissermaßen trotz seiner Freiheit, die ihn auf Abwege führen könne, aber ebenso auch nur durch seine Freiheit, die ihm eine höhere (Wieder-)Vereinigung mit der Natur überhaupt erst als potenziell möglich eröffne, sein Denken und Handeln nicht als von Natur und Umwelt entzweit, sondern als mit diesen vereint zu begreifen, wäre ein Mensch-Natur-Verhältnis, in dessen Rahmen der Mensch einen angemessenen Umgang mit der Natur und einen adäquaten Ort in ihr findet, mindestens nicht ausgeschlossen. Durch das Bewusstsein seiner eigenen Freiheit sind dem Menschen die hierfür erforderlichen Voraussetzungen jedenfalls gegeben.

Humboldts natur- bzw. umweltethische Bedenken sind primär anthropozentrisch begründet und er beanstandet gewaltsame Eingriffe in die Natur zuvorderst aufgrund ihrer negativen Auswirkungen für den Menschen. Bisweilen äußert er sich jedoch auch bezüglich einer prinzipiellen kulturellen Überformung von Natur kritisch: „Die Cultur verwischt etwas von dem ursprünglichen Naturcharakter: sie stört in der gefesselten Organisation die freie Entwickelung der Theile.“156 In der Weiterentwicklung Humboldt’scher Gedanken ist auf der Basis anthropozentrischer Erwägungen dennoch eine menschliche Existenzweise zu ersinnen, die, wenn nicht zum Wohle doch mindestens auch nicht zum existenziellen Schaden des Gedeihens der lebendigen Gemeinschaft insgesamt gereicht und schließlich in einen Prozess mündet, der Gutes (im Sinne des Wahren, Erhabenen und Schönen) mit Nützlichem wie absichtslos in Einklang bringt:

[…] so ist […] in allen Theilen des Naturwissens der erste und erhabenste Zweck geistiger Thätigkeit ein innerer, nämlich das Auffinden von Naturgesetzen, die Ergründung ordnungsmäßiger Gliederung in den Gebilden, die Einsicht in den nothwendigen Zusammenhang aller Veränderungen im Weltall. Was von diesem Wissen in das industrielle Leben der Völker überströmt und den Gewerbfleiß erhöht, entspringt aus der glücklichen Verkettung menschlicher Dinge, nach der das Wahre, Erhabene und Schöne mit dem Nützlichen, wie absichtslos, in ewige Wechselwirkung treten.157

Man ist durchaus geneigt hier an eine Allianz zwischen Mensch und Natur zu denken, wie sie aktuell u. a. im Rahmen des internationalen Leitbildes der Bioökonomie als ökologische Kreislaufwirtschaft angestrebt wird, um ein zukünftiges Überleben des Menschen auf seinem Heimatplaneten zu sichern. Tatsächlich sind immense technologische wie vor allem verhaltensbezogene Anstrengungen erforderlich, damit Humboldts dystopische Vision, „Mond und Venusberge! Wann werden wir diese Reise unternehmen, unsere Kultur, d[as] h[eißt] das Gemisch unserer Laster und Vorurtheile über andere Planeten verbreiten und sie veröden […]“158, nicht zur Wirklichkeit unserer Naturkulturgeschichte wird.

Fazit

Auch wenn die physische Weltbeschreibung Humboldts vorrangig naturkundlich und die Naturphilosophie Schellings vornehmlich epistemologisch ausgerichtet sind, entfalten beide Ansätze Ideen, die dem gegenwärtig zu voller Ausreifung gelangten objektivierenden und exploitativen Mensch-Natur-Verhältnis und der damit einhergehenden Entfremdung des Menschen von der Natur etwas entgegenzusetzen vermögen.

Sowohl Humboldt als auch Schelling fordern mechanistische Engführungen der positivistischen Naturforschung sowie idealistische Einseitigkeiten der Naturphilosophie nicht nur heraus, sondern bieten eine Alternative. Der hier vorgestellte romantische Empirismus bietet für das Forschungsprogramm der Environmental Humanities eine philosophiehistorisch fundierte Quelle mit längst nicht erschöpftem Potenzial bzgl. der Herausforderungen, mit denen sich die menschliche Lebensform im Anthropozän konfrontiert sieht. Aus heutiger Sicht lassen sich Humboldt und der frühe Schelling als Vertreter eines romantischen Empirismus bezeichnen, der für eine wertschätzende wie kritische Zusammenarbeit naturwissenschaftlicher und geisteswissenschaftlicher Disziplinen steht und für eine Revision des objektivierenden wie exploitativen Mensch-Natur-Verhältnis alternative Ideen bereithält. Insbesondere für nicht weniger als die Ausgestaltung eines naturwissenschaftlich belastbaren, empirisch phänomengesättigten, naturethisch rechtfertigungsfähigen und ästhetisch reichhaltigen Mensch-Natur-Verhältnisses können ihre Einsichten fruchtbar gemacht werden. Insofern können Humboldt und der frühe Schelling als ein außergewöhnliches Gespann ihrer Zeit mit großem Potenzial für unsere Zeit hinsichtlich der Befassung mit ökologischen Frage- und Problemstellungen gelten.

Für wertvolle Anmerkungen zum ersten Entwurf des Manuskripts danke ich Eberhard Knobloch, Ulrich Päßler und Thomas Schmuck.

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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph (1803): Vorlesungen über die Methode des akademischen Studiums. In: Sämtliche Werke Bd. V. Hg. von K. F. A. Schelling (1856–1861). Stuttgart: Cotta.

Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph (1804): System der gesammten Philosophie und der Naturphilosophie insbesondere (aus dem handschriftlichen Nachlaß). In: Sämtliche Werke Bd. VI. Hg. von K. F. A. Schelling (1856–1861). Stuttgart: Cotta.

Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph (1806): Darlegung des wahren Verhältnisses der Naturphilosophie zu der verbesserten Fichteschen Lehre. In: Sämtliche Werke Bd. VII. Hg. von K. F. A. Schelling (1856–1861). Stuttgart: Cotta.

Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph (1807): Ueber das Verhältniß der bildenden Künste zur Natur. In: Sämtliche Werke Bd. VII. Hg. von K. F. A. Schelling (1856–1861). Stuttgart: Cotta.

Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph (1809): Philosophische Untersuchungen über das Wesen der menschlichen Freiheit und die damit zusammenhängenden Gegenstände. In: Sämtliche Werke Bd. VII. Hg. von K. F. A. Schelling (1856–1861). Stuttgart: Cotta.

Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph (1843/44): Darstellung des Naturprocesses. Bruchstück einer Vorlesung über die Principien der Philosophie, gehalten in Berlin im Winter 1843–44. Aus dem handschriftlichen Nachlaß. In: Sämtliche Werke Bd. X. Hg. von K. F. A. Schelling (1856–1861). Stuttgart: Cotta.

Schmied-Kowarzik, Wolfdietrich (1985): Die existentiell-praktische Einheit von Mensch und Natur. Zur Bedeutsamkeit der Naturphilosophie Schellings für die Ökologiedebatte. In: Heckmann, Reinhard/Krings, Hermann/Meyer, Rudolf W. (Hg.): Natur und Subjektivität. Zur Auseinandersetzung mit der Naturphilosophie des jungen Schelling. Stuttgart: Frommann-Holzboog, 375–389.

Schmied-Kowarzik, Wolfdietrich (1996): „Von der wirklichen, von der seyenden Natur“. Schellingiana Bd. 8, Stuttgart: Frommann-Holzboog.

Schmuck, Thomas (2018): Von der Lebenskraft zur Theorie des Lebens. In: Ette, Ottmar (Hg.): Alexander von Humboldt-Handbuch. Stuttgart: Metzler, 144–146.

Sturma, Dieter (2010): Schelling über die Grenzen der Subjektivität. In: Bromand, Joachim/Kreis, Guido (Hg.): Was sich nicht sagen lässt. Das Nicht-Begriffliche in Wissenschaft, Kunst und Religion. Berlin: Akademie, 763–774.

Tilliette, Xavier (1974): Schelling im Spiegel seiner Zeitgenossen. Hg. von Xavier Tilliette. Torino: Bottega D’Erasmo.

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Worster, Donald (1977): Nature’s Economy. A History of Ecological Ideas. Cambridge MA: Cambridge University Press.

1 Für eine ausführliche Darstellung der Environmental Humanities vgl. z. B. Oppermann/Iovino 2017; Heise et al. 2017.

2 Vgl. Bacon 1990. Vgl. hierzu auch Worster 1977, 17 f.; Rigby 2014, 63.

3 Brief F. W. J. Schelling an A. v. Humboldt im Januar 1805, zitiert nach Fuhrmans 1975, 179.

4 Brief A. v. Humboldt an F. W. J. Schelling vom 1. Februar 1805, zitiert nach Fuhrmans 1975, 180.

5 Ibid.

6 Vgl. Brief F. W. J. Schelling an A. v. Humboldt im Januar 1805, zitiert nach Fuhrmans 1975, 178 ff.; Dettelbach 2001, 144 f.

7 Humboldt 1807, V f.

8 Vgl. zum Begriff ‚Weltanschauung’ auch Meyer-Abich 1948, 371 f.

9 Brief F. W. J. Schelling an A. v. Humboldt im Januar 1805, zitiert nach Fuhrmans 1975, 179.

10 Ibid. Ob sich Schelling und Humboldt nach diesem Briefwechsel, so wie Humboldt es erbat, auch persönlich trafen, ist nicht sicher belegbar. Humboldts Formulierung in seinem Schreiben an Schelling, „daß wir Sie doch einmal wieder möchten von Angesicht zu Angesicht schauen können“ (Brief A. v. Humboldt an F. W. J. Schelling am 10. Februar 1806, zitiert nach Fuhrmans 1962, 345), eine persönliche Aufzeichnung von Varnhagen von Ense aus dem Jahr 1854 sowie eine nach S. Harassek getätigte Darstellung von Josef Goluchowski im Jahr 1846 legen dies allerdings nahe (vgl. Tilliette 1974, 508 sowie 634).

11 Brief A. v. Humboldt an F. W. J. Schelling am 1. Februar 1805, zitiert nach Fuhrmans 1975, 181.

12 Vgl. u. a. Muthmann 1955; Bunge 1969; Beck 1976; von Engelhardt 2003; Reill 2005. Vgl. hierzu auch Dettelbach 1999, 474, 503 sowie Werner 2000. In ihrem Forschungsbeitrag zum privaten wie wissenschaftlichen Verhältnis von Humboldt und Schelling schildert Petra Werner demgegenüber auf der Grundlage einer Auswertung des zwischen 1805 und 1854 nur lückenhaft belegten Briefkontakts ein widersprüchliches Verhältnis der beiden. Während Werner es nur für möglich erachtet, dass Humboldt durch die romantische Naturphilosophie inspiriert wurde (vgl. Werner 2000, 98), ist für Mary Louise Pratt mehr als offensichtlich, dass „Humboldt in his writing is simply being a Romantic, simply doing Romanticism“, und dass „[t]o the extent that Humboldt ‚is‘ a Romantic, Romanticism ‚is‘ Humboldt“ (Pratt 1992, 137).

13 Exemplarisch für eine seit dem 19. Jahrhundert typische Polemik sei hier auf das Urteil des Chemikers Justus von Liebig verwiesen, der über die romantische Naturforschung und Naturphilosophie resümiert: „Auch ich habe diese an Worten und Ideen so reiche, an wahrem Wissen und gediegenen Studien so arme Periode durchlebt, die mich um zwei kostbare Jahre meines Lebens gebracht; ich kann den Schreck und das Entsetzen nicht schildern, als ich aus diesem Taumel zum Bewusstsein erwachte“ (Justus von Liebig 1840, zitiert nach Tilliette 1974, 276 f.). Ähnlich undifferenziert resümiert der zeitgenössische Physiker und Philosoph Mario Bunge, dass „das meiste, was die romantischen Naturphilosophen sagten, reiner Unsinn war und die Entwicklung der Naturwissenschaft und der Mathematik in Deutschland bremste“ (Bunge 1969, 19).

14 Vgl. Werner 2000, 95, 102 f.

15 In der Einleitung des fünften Kosmosbandes aus dem Jahr 1862 bringt Humboldt mittels einer Zitation von Schelling seine Ernüchterung bezüglich der großen mit der Naturphilosophie einst verknüpften Erwartungen zum Ausdruck: „Der Philosoph, welcher die Möglichkeit einer Naturphilosophie oder speculativen Physik glaubte erwiesen zu haben (Schelling’s sämmtliche Werke Abth. I. Bd. 3. S. 274), gesteht selbst (S. 105): ‚daß die Kraft, die in der ganzen Natur waltet und durch welche die Natur in ihrer Identität erhalten wird, bisher noch nicht aufgefunden (abgeleitet) worden ist’“ (Humboldt 1862, Bd. V, 21). Indem Humboldt dort unmittelbar anschließt, seinen, den naturkundlichen, Teil des gemeinsamen Forschungsziels nach bestem Wissen und Können erfüllt zu haben, wird der Vorwurf an Schelling bezüglich seines Versagens und des Umstands, den naturphilosophischen Teil des Forschungsziels schuldig geblieben zu sein, sehr deutlich. Vgl. hierzu auch paradigmatisch den Brief von A. v. Humboldt an Carl Ludwig Michelet vom 31. März 1841 (Michelet 1884, 48).

16 Vgl. Werner 2000, 85 ff.

17 Reill 2005, 240. Zwar wird diese Interpretation beispielsweise von einem Brief von Humboldt an August Böckh aus dem Jahr 1842 untermauert, in dem Humboldt sein taktisches Vorgehen bezüglich Schelling und Hegel erläutert als „[s]o komme ich zu meinen Zwecken ohne Liebe für beide, aber mit mehr Achtung für Hegel“ (vgl. Tilliette 1974, 487), doch stammt dieser Brief erstens aus der besagten späteren Zeit, zu der die Abkehr längst offensichtlich war und sieht sich zweitens einer deutlich größeren Anzahl ernsthaft wertschätzender Aussagen Humboldts über Schelling und die Naturphilosophie sowohl in Briefen an Schelling, Briefen an Dritte und insbesondere innerhalb Humboldts Veröffentlichungen gegenüber stehen. Malcolm Nicolson und Michael Dettelbach verstehen Humboldts Verhältnis zum frühen Schelling und der romantischen Naturphilosophie ebenfalls als von ernsthafter Anerkennung geprägt (vgl. Nicolson 1987; Dettelbach 2001, 137, 145).

18 Vgl. Reill 2005, 13 f., 200 ff. Reill kennzeichnet Humboldt als den größten und wohl letzten enlightenment vitalist (vgl. Reill 2005, 241).

19 Vgl. ibid., 14, 201. Nur am Rande spricht Reills eigene Zustimmung zu der allgemein geteilten Auffassung, dass Naturphilosophen in den neuesten Entwicklungen naturwissenschaftlich versiert waren, gegen seine These einer rein vergeistigten Methode der Naturphilosophie (vgl. Reill 2005, 313).

20 Beispielhaft sei hier nur auf eine Passage aus Schellings Einleitung zu dem Entwurf eines Systems der Naturphilosophie verwiesen: „Nach dieser Ansicht, da die Natur nur der sichtbare Organismus unseres Verstandes ist, kann die Natur nichts anderes als das Regel- und Zweckmäßige produciren, und die Natur ist gezwungen es zu produciren. Aber kann die Natur nichts als das Regelmäßige produciren, und producirt sie es mit Nothwendigkeit, so folgt, daß sich auch in der als selbständig und reell gedachten Natur und dem Verhältniß ihrer Kräfte wiederum der Ursprung solcher regel- und zweckmäßigen Produkte als nothwendig muß nachweisen lassen, daß also das Ideelle auch hinwiederum aus dem Reellen entspringen und aus ihm erklärt werden muß. Wenn es nun Aufgabe der Transscendentalphilosophie ist, das Reelle dem Ideellen unterzuordnen, so ist es dagegen Aufgabe der Naturphilosophie, das Ideelle aus dem Reellen zu erklären: beide Wissenschaften sind also Eine, nur durch die entgegengesetzten Richtungen ihrer Aufgaben sich unterscheidende Wissenschaft; da ferner beide Richtungen nicht nur gleich möglich, sondern gleich nothwendig sind, so kommt auch beiden im System des Wissens gleiche Nothwendigkeit zu“ (Schelling 1799b, Bd. III, 272 f.).

21 Vgl. Reill 2005, 200.

22 Vgl. Meyer-Abich 1968, 22.; Dettelbach 1999, 475.

23 Schellings frühe Naturphilosophie, die zugleich seine naturphilosophische Hauptphase markiert, wird grundsätzlich in dem etwas engeren Zeitfenster zwischen 1797 und 1801 verortet. Innerhalb seiner in dieser Zeit verfassten Schriften verfolgt Schelling einen weitestgehend einheitlichen Ansatz. Vgl. bezüglich der Unschärfe der Epochenbezeichnung ‚Romantik‘ und einer groben Einteilung in die drei Phasen der Früh-, Hoch- und Spätromantik auch Köchy 1997, 68 ff.

24 Äußerungen wie die Justus von Liebigs haben ebenso wie gängige Beschreibungen der Humboldtian Science dazu beigetragen, die Kluft zwischen Naturwissenschaft und Romantik zu verhärten (vgl. Cannon 1978; Dettelbach 1999, 474).

25 Brief A. v. Humboldt an Karl August Varnhagen von Ense am 28. April 1841, zitiert nach Assing 1860, 90. Aus dem Kontext dieser von Humboldt getätigten Äußerung geht allerdings hervor, dass er hiermit nicht die philosophisch abstrakte Methode und die romantische Naturphilosophie in toto angreift, sondern nur gewisse Formen derselben. So heißt es in ebendiesem Brief konkret: „Die bestimmte Versicherung […], daß ich nicht den Schöpfer der Naturphilosophie anklage, wird ihm wohl meine ätzende Schärfe über die ‚heiteren Saturnalien‘, le bal en masque der tollsten Naturphilosophie, verzeihlicher machen. […] Es ist eine bejammernswürdige Epoche gewesen, in der Deutschland hinter England und Frankreich tief herabgesunken ist. Eine Chemie, in der man sich die Hände nicht naß machte.“ Allerdings zitiert Humboldt hier als Beispiel für derartige Saturnalien u. a. doch auch Schelling. Vgl. wiederum Humboldts Äußerung über unredliche Naturphilosophen in seinem Brief an Schelling vom 1. Februar 1805, zitiert nach Fuhrmans 1975, 181: „Steht dabei eine Menschenklasse auf, welche es für bequemer hält, die Chemie durch die Kraft des Hirnes zu treiben, als sich die Hände zu benetzen, so ist das weder Ihre Schuld noch die der Naturphilosophie überhaupt.“ In diversen Briefen an unterschiedliche Korrespondenzpartner differenziert Humboldt seine Kritik auf ähnliche Weise (vgl. hierzu auch Jahn 1969, 148; Werner 2000, 86).

26 Humboldt 1845, Bd. I, 5.

27 Vgl. hierzu auch Ette 2002; ders. 2018, 57 ff.

28 Humboldt 1807, 39 f.

29 Ibid., 89 f.

30 Humboldt 1845, Bd. I, 33.

31 Vgl. Dürbeck et al. 2017, xiv.

32 Humboldt 1845, Bd. I, 21. Vgl. ebenso ders., 1847, Bd. II, 389 f.

33 Schelling 1799b, Bd. III, 279.

34 Vgl. etwa Brief A. v. Humboldt an F. W. J. Schelling am 1. Februar 1805, zitiert nach Fuhrmans 1975, 181; Humboldt 1807, V f.; Humboldt 1845, Bd. I, 171. Vgl. hierzu auch die folgende von Humboldt an Schelling gerichtete Bemerkung: „Immer nach außen strebend, fühlt doch Niemand mehr als ich Bewunderung für das, was der Mensch aus seiner eignen Tiefe und Fülle schöpft und hervorbringt“ (Brief A. v. Humboldt an F. W. J. Schelling am 1. Februar 1805, zitiert nach Fuhrmans 1975, 181).

35 Vgl. Beiser 2006, 217.

36 Vgl. ibid., 224. Vgl. hierzu auch Schelling 1798, Bd. II, 496–505 sowie Schelling 1799a, Bd. III, 74–78.

37 Beiser 2006, 218.

38 Vgl. ibid., 222. Für die Darlegung der wichtigsten Punkte, in denen sich das organische Konzept der Natur von Spinoza unterscheidet siehe Beiser 2006, 226 f.; für die an Leibniz orientierte polare Ergänzung von Einheit und Vielheit, die auch durch das romantische Organismusmodell exemplifiziert werden soll, vgl. Köchy 1996, 321 ff.

39 Beiser 2006, 232. Vgl. hierzu Schelling 1804, Bd. VI, 141–145. Bei Schelling ist die Naturphilosophie seiner Transzendentalphilosophie als Möglichkeitsbedingung vorgeordnet: Natur ist vorbewusster Geist. Vgl. hierzu auch die wichtige Bemerkung Hans Posers: „Die Interpretationen der Naturphilosophie Schellings gehen […] in der Regel von seiner Transzendentalphilosophie aus. Dieses Vorgehen ist berechtigt und entspricht der von Schelling vorgetragenen Argumentation, – doch brechen die Untersuchungen zumeist genau an der Stelle ab, an der der Zusammenhang von Natur qua Empirie und spekulativer Naturphilosophie herauszuarbeiten wäre“ (Poser 1981, 129).

40 Vgl. hierzu auch Meyer-Abich 1948, 28 f.; Köchy 1996, 319 ff.

41 Schelling 1809, Bd. VII, 356.

42 Humboldt 1847, Bd. II, 281.

43 Schelling 1800b, Bd. IV, 534.

44 Ibid., 532. Vgl. auch Schelling 1803, Bd. V, 322.

45 Schelling 1799b, Bd. III, 280. Vgl. hierzu auch Köchy 1997, 264 ff.; Poser 1981, 131 sowie 135: „[…] sie [die apriorische Reflexion (C. P.)] wird Fragen an die Natur zu formulieren gestatten, ohne indes die Antworten zu präjudizieren.“

46 Humboldt 1845, Bd. I, 69.

47 Ibid., 81.

48 Ibid., 68 f.

49 Ibid., 69.

50 Schelling 1799b, Bd. III, 284. Die Unterscheidung von natura naturans als erschaffende und natura naturata als geschaffene Natur geht auf den arabischen Philosophen und islamischen Gelehrten Averroës sowie die christliche Scholastik zurück. Gemäß Baruch de Spinozas einflussreicher Interpretation des Konzeptes verweist natura naturans auf die Einheit Gottes und natura naturata auf deren verdinglichte Modifikationen. In diesem Kontext ist auch Spinozas vielzitierte Formel deus sive natura zu verorten, die auf die Gleichsetzung von Gott mit der Natur abhebt.

51 Schelling 1799a, Bd. III, 20. Diese und die nachfolgenden Zitationen Schellings richten sich auch gegen die Interpretation Reills bezüglich der Nachrangigkeit von Beobachtung für die Naturphilosophie (vgl. Reill 2005, 202, 210).

52 Vgl. Meyer-Abich 1968, 43; Poser 1981, 129; Werner 2000, 77; von Engelhardt 2003, 152 f. Sogar Humboldt äußert sich anerkennend über einige „scharfsinnig“ angestellte naturwissenschaftliche Beobachtungen Schellings (vgl. Humboldt 1807, 108).

53 Schelling 1799b, Bd. III, 278.

54 Ibid., 277. Besonders spannungsreich, wenn nicht gar widersprüchlich hierzu ist etwa Schellings Aussage: „Außer der Vernunft ist nichts, und in ihr ist alles“ (Schelling 1801, Bd. IV, 115). Dazu, dass Schelling – da die Vernunft nicht irren kann – diese These später anders ausrichtet vgl. Poser 1981, 135 f.

55 Vgl. Nassar 2014, 300. Vgl. hierzu folgende Bemerkung von Dettelbach 2001, 138: „Dennoch gestatten es neuere historiographische Entwicklungen, die Polarität zwischen dem Empirismus der Aufklärung und dem Idealismus der Romantik zu überwinden und Humboldts Verpflichtung gegenüber dem Empirismus, für sich genommen, als den entscheidenden Grund für sein enzyklopädisches Projekt und zugleich als das Bindeglied zu den Bemühungen der frühen Romantiker anzusehen.“

56 Vgl. für eine entsprechende Bewertung von Humboldts Forschungsansatz auch Nicolson 1987, 167, 180.

57 Schelling 1797, Bd. II, 13. Vgl. hierzu auch Humboldt 1845, Bd. I, 70: „Die intellectuelle Thätigkeit übt sich dann an dem durch die sinnliche Wahrnehmung überkommenen Stoffe. Es liegt daher schon im Jugendalter der Menschheit, in der einfachsten Betrachtung der Natur, in dem ersten Erkennen und Auffassen eine Anregung zu naturphilosophischen Ansichten. Diese Anregung ist verschieden, mehr oder minder lebhaft, nach der Gemüthsstimmung, der nationalen Individualität und dem Culturzustande der Völker. Eine Geistesarbeit beginnt, sobald, von innerer Nothwendigkeit getrieben, das Denken den Stoff sinnlicher Wahrnehmungen aufnimmt.“

58 Vgl. Schelling 1797, Bd. II, 14: „Sie geht von jener ursprünglichen Trennung aus, um durch Freiheit wieder zu vereinigen, was im menschlichen Geiste ursprünglich und nothwendig vereinigt war, d. h. um jene Trennung auf immer aufzuheben.“ Gegen Immanuel Kant erhebt Schelling den Vorwurf, die Trennung zwischen Mensch und Welt durch die Konzeption des sich jeglicher Erkenntnis entziehenden, nicht-intelligiblen Ding an sich zementieren zu wollen. Diese Art der Philosophie sei ein ‚Plagegeist‘ und führe nur zur ‚Geisteskrankheit des Menschen‘ (vgl. Schelling 1797, Bd. II 13 f.). Vgl. hierzu auch Köchy 1997, 92 ff.; Pinsdorf 2016, 44 ff.

59 Vgl. hierzu auch Heckmann 1983, 309: „Unser Naturbegriff schließt immer auch ein bestimmtes Verständnis unserer selbst mit ein.“

60 Heckmann 1983, 300.

61 Humboldt 1845, Bd. I, 69.

62 Ibid., 4.

63 Humboldt 1847, Bd. II, 98.

64 Brief von A. v. Humboldt an Karl Ehrenbert von Moll am 5. Juni 1799, zitiert nach Jahn/Lange 1973, 682. Vgl. zur Interpretation von Humboldts harmonikalem Denken auch Knobloch 2010, 50 f.

65 Humboldt 1845, Bd. I, VI.

66 Humboldt 1845, Bd. I, 5 f.

67 Humboldt 1845, Bd. I, 31. Vgl. hierzu auch Hegel, für den Naturphilosophie ‚begreifende‘ bzw. ‚denkende Erkenntnis‘ der Natur zu sein hat, die unter der ‚Betrachtungsweise des Begriffs‘ das Allgemeine der Natur bestimmt (Hegel 1978, Zusatz 11 f., 13, 15). Vgl. außerdem Pinsdorf 2016, 67 ff.

68 Vgl. Meyer-Abich 1948, 104 f.

69 Mit Blick auf Schelling vgl. Meyer-Abich 1948, 149, mit Blick auf Humboldt vgl. Meyer-Abich 1949, 181 ff. sowie Nicolson 1987, 176 ff. Vgl. hierzu außerdem die Zeilen Wilhelm von Humboldts über seinen Bruder, die ebenfalls den frühen Schelling charakterisiert hätten: „Das Studium der physischen Natur nun mit dem der moralischen zu verknüpfen, und in das Universum, wie wir es erkennen, eigentlich erst die wahre Harmonie zu bringen, oder wenn dieß die Kräfte Eines Menschen übersteigen sollte, das Studium der physischen Natur so vorzubereiten, daß dieser zweite Schritt leicht werde, dazu, sage ich, hat mir unter allen Köpfen, die ich historisch und aus eigner Erfahrung in allen Zeiten kenne, nur mein Bruder fähig geschienen“ (Brief von Wilhelm von Humboldt an Karl Gustav Brinkmann am 18. März 1793, zitiert nach Leitzmann 1939, 61).

70 Humboldt 1850, Bd. III, 8.

71 Humboldt 1849, Bd. I, 252 f.

72 Vgl. Dettelbach 1999, 487: „Humboldt turned tables of numbers into nature-writing. Humboldt was of course well aware that he is the one drawing these lines across the page, but the key point is that it is drawing going on, and not human, symbolic script, but the script of nature tracing its own shape.“

73 Dettelbach 1999, 486.

74 Ibid., 490.

75 Schelling 1800a, Bd. III, 628. Vgl. hierzu auch Müller-Vollmer 1976, 233.

76 Schelling 1796/97, Bd. I, 383.

77 Schelling 1797, Bd. II, 47 f.

78 Schelling 1797, Bd. II, 37. Vgl. hierzu auch Pinsdorf 2016, 45 f.

79 Vgl. Schelling 1797, Bd. II, 47. Diese Einsicht übernimmt Schelling nach eigener Aussage von Gottfried Wilhelm Leibniz. Vgl. hierzu auch Köchy 1996, 321: „Für die Absicht der Romantik, die Ganzheit der Welt mit der Vielheit zu versöhnen, bietet vor allem ein an Leibniz […] orientiertes Organismus-Modell das ideale Vorbild.“

80 Schelling 1797, Bd. II, 41 f.

81 Ibid., 39.

82 Vgl. Pinsdorf 2016, 51.

83 Humboldt 1845, Bd. I, 384.

84 Schelling 1843/44, Bd. X, 389.

85 Humboldt 1945, Bd. I, 63. Vgl. Zur kosmischen Natur etwa Humboldt 1845, Bd. I, 155. Vgl. auch Heller 1910, 260; Reill 2005, 249.

86 Humboldt 1845, Bd. I, 18.

87 Humboldt 1849, Bd. II, 266. Vgl. auch ibid., 289.

88 Die dynamische Stufenfolge ist in Schellings Von der Weltseele nicht rein ideal, sondern auch real zu verstehen und verweist je nach Stufe auf für die entsprechenden Lebensformen wesentlichen Kriterien wie Sensibilität, Irritabilität, Nutrition oder Reproduktion. Vgl. z. B. Schelling 1798, Bd. II, 348, 377, 500, 523, 564; Schelling 1799a, Bd. III, VII; Lovejoy 1970, VII. Vgl. zum Aufgehobensein eines niedrigeren in einem höheren Wirklichkeitsbereich als Wesensstruktur der Stufenfolge des Wirklichen auch Meyer-Abich 1948, 378 ff.; Pinsdorf 2016, 53 f.

89 Humboldt 1845, Bd. I, 87.

90 Vgl. Schelling 1798, Bd. II, 350; Beiser 2006, 225; Pinsdorf 2016, 53 f.

91 Brief von A. v. Humboldt an Caroline von Wolzogen am 14. Mai 1806, zitiert nach Bruhns 1872, 417. Vgl. Mislin 1976, 34. Vgl. zur These organischer Ganzheit bzw. eines lebendigen Weltorganismus auch Meyer-Abich 1948, 43 f.; Köchy 1997, 116, 188.

92 Vgl. Schelling 1799a, Bd. III, 196 sowie ders. 1799b, Bd. III, 307. Vgl. hierzu auch Schmied-Kowarzik 1996, 30; Sturma 2010, 766 ff.; Pinsdorf 2016, 49 f.

93 Humboldt 1845, Bd. I, 6.

94 Schelling 1797, Bd. II, 56.

95 Ibid., 55 f.

96 Ibid., 56.

97 Vgl. Pinsdorf 2016, 49.

98 Vgl. ibid., 61. Vgl. hierzu auch Köchy 1996, 325 ff. sowie Beiser 2006, 231: „there are not only accidental causal relations between the subject and object but closer ties of identity where each realizes its nature only in and through the other. According to the organic model, everything in nature is part of an organic whole, where each part is inseparable from the whole, and where the whole is inseparable from each of its parts.“

99 Humboldt 1845, Bd. I, 9.

100 Humboldt 1814, 15.

101 Humboldt 1845, Bd. I, 385.

102 Schelling 1797, Bd. II, 55.

103 Schelling 1798, Bd. II, 370 f. Vgl. hierzu auch Schelling 1798, Bd. II, 375 sowie Dietzsch 1978, 49.

104 Ibid., 371.

105 Vgl. Schelling 1809, Bd. VII, 342.

106 Schelling 1798, Bd. II, 372. Vgl. etwa Humboldt 1807, 39 f.

107 Humboldt 1807, 24. Humboldt verweist hier auf die folgende Textstelle bei Schelling: „Nicht alles, was geschieht, ist darum ein Objekt der Geschichte, Naturbegebenheiten z. B. verdanken den historischen Charakter, wenn sie ihn erlangen, bloß dem Einfluß, den sie auf menschliche Handlungen gehabt haben“ (Schelling 1800a, Bd. III, 588).

108 Humboldt 1845, Bd. I, 16. Vgl. zur geheimnisvollen Verknüpfung von Physischem und Geistigem auch Humboldt 1845, Bd. I, 383. Für eine Interpretation, gemäß der Humboldt den Zugang zur „secret community of mind and nature“ als Privileg zivilisierter Völker begreift, vgl. Dettelbach 1999, 493.

109 Vgl. zum Verhältnis von Naturkunde und Naturwissenschaft sowie Humboldts eindeutiger Zuordnung zur ersteren Knobloch 2018a. Die für Schelling zentrale naturphilosophische Frage, die Kant nicht habe beantworten können, ist erkenntnistheoretischer Art und richtet sich darauf, wie die ‚Vorstellung‘ von außerhalb existierenden zweckmäßigen Produkten in den Menschen gekommen und weshalb dieser genötigt sei, Zweckmäßigkeit, die den Dingen ausschließlich in Bezug auf den menschlichen Verstand zukomme, als außer ihm wirklich und zugleich notwendig zu denken (vgl. Schelling 1797, Bd. II, 84 ff., 98, 103, 106 f. sowie Pinsdorf 2016, 44 f.).

110 Noack 1976, 61. Vgl. hierzu auch Nicolson 1987, 179 f.

111 Schelling 1800a, Bd. III, 349. Vgl. hierzu auch Schmied-Kowarzik 1985, 379.

112 Schelling 1807, Bd. VII, 292. Vgl. auch ibid., 293, 300.

113 Vgl. Beiser 2006, 231.

114 Vgl. Schelling 1800a, Bd. III, 349 sowie ders. 1807, Bd. VII, 316. Vgl. Hierzu auch Angehrn 1996, 90 f.; Hackenesch 1984, 193; Schmied-Kowarzik 1985, 380; Dürbeck et al. 2017, xvi.

115 Humobldt 1845, Bd. I, 39.

116 Humboldt 1849, Bd. II, 26.

117 Brief von A. v. Humboldt an J. W. v. Goethe vom 3. Januar 1810, zitiert nach Geiger 1909, 305. Aber auch hier warnt Humboldt wieder vor einer Entwicklung in die falsche Richtung, denn: „In der Fähigkeit die Natur zu fühlen liegen Heil und Unheil gepaart. Schweifen die Gefühle wild umher, so entstehen Naturträume, die Pest dieser letzten Zeiten!“

118 Humboldt 1849, Bd. II, 239.

119 Humboldt 1847, Bd. II, 75. Zur Prägung von Humboldts ästhetischer Epistemologie und Kosmologie durch Friedrich Schiller vgl. Robert 2008, 38.

120 Vgl. Nicolson 1987, 178.

121 Vgl. Dettelbach 1999, 481.

122 Humboldt 1845, Bd. I, 171.

123 Humboldt 1807, IV f.

124 Dettelbach 2001, 145 f.

125 Vgl. Böhme 2018, 176. Die Wendung ‚intellektuelle Anschauung‘ ist bei Schelling ein Terminus technicus, Humboldt verwendet den Begriff ‚intellectuelle Anschauung‘ hingegen nur an einer Stelle seines Werks (vgl. Humboldt 1847, Bd. II, 65).

126 Böhme 2018, 178.

127 Vgl. Haeckel 1866.

128 Vgl. u. a. Humboldt als „pioneer in ecological biology“ (Worster 1977, 135), „Vordenker der […] Umweltbewegung“ (Osten 2009, 61), „erster Ökologe“ (Holl 2018), „pioneer of ecological thought“ (Dürbeck et al. 2017, xx), „one of the world’s first time ecologists“ (Schaumann 2017), mit „considerable similarities to features of late nineteenth century and twentieth century ecology“ (Nicolson 1987, 187).

129 Vgl. hierzu auch Schmuck 2018, 144.

130 Humboldt 1807, 21.

131 Humboldt 1829, 192.

132 Humboldt 2000, 238. Ähnliches berichtet er auch 1803 bezüglich der Bewässerung von Mexiko-Stadt. Vgl. hierzu auch Schaumann 2017, 67.

133 Humboldt 2000, 215.

134 Ibid., 140. Zur Einordnung der von Humboldt beschriebenen klimatischen Funktionen des Waldes vgl. Holl 2018.

135 Humboldt 1814, 638.

136 Humboldt 1844, 214.

137 Vgl. Holl 2018. In dem im darauffolgenden Jahr veröffentlichten ersten Band des Kosmos beschreibt Humboldt das Phänomen Holl zufolge erneut, wenn er die „Vermengung mit mehr oder minder schädlichen gasförmigen Exhalationen“ (Humboldt 1845, Bd. I, 340) als Klimafaktoren ausweist.

138 Humboldt 1832, 249.

139 Humboldts Klimadefinition im Kosmos ist noch heute weitgehend gültig: „Das Wort Klima bezeichnet allerdings zuerst eine specifische Beschaffenheit des Luftkreises; aber diese Beschaffenheit ist abhängig von dem perpetuirlichen Zusammenwirken einer all- und tiefbewegten, durch Strömungen von ganz entgegengesetzter Temperatur durchfurchten Meeresfläche mit der wärmestrahlenden trocknen Erde, die mannigfaltig gegliedert, erhöht, gefärbt, nackt oder mit Wald und Kräutern bedeckt ist“ (Humboldt 1845, Bd. I, 304). Vgl. für weitere Ausführungen zu Humboldt und dem Klimawandel Holl 2018.

140 Vgl. Lenton et al. 2008.

141 Humboldt 1807, 16. Die Ideen zu einer Geographie der Pflanzen nebst einem Naturgemälde der Tropenländer waren das erste bedeutende Werk, das Humboldt im Nachgang seiner großen Amerikareise publiziert hat. Eberhard Knobloch weist darauf hin, dass Humboldt den für seine multiperspektivische Disziplin ausgewählten Titel „Pflanzen-Geographie“ selbst für einen „nicht ganz passenden Namen“ (ibid., 24) hält und stimmt diesem Urteil aufgrund der historischen, ethischen, ästhetischen und politischen Dimension der Disziplin zu (vgl. Knobloch 2018b, 119).

142 Humboldt 1807, 17 ff.

143 Humboldt 1803/04, 27r.

144 Vgl. Dürbeck et al. 2017, xxi; Schaumann 2017, 65.

145 Humboldt 1808, Bd. I, VII. Vgl. u. a. auch ders. 1845, Bd. I, 317 f. sowie ders. 1849, Bd. II, 20: „Der Einfluß der physischen Welt auf die moralische, das geheimnißvolle Ineinanderwirken des Sinnlichen und Außersinnlichen giebt dem Naturstudium, wenn man es zu höheren Gesichtspunkten erhebt, einen eigenen, noch zu wenig erkannten Reiz.“

146 Humboldt 1807, 17. Vgl. hierzu auch Nicolson 1987, 177: „Like Forster, Humboldt argued that vegetation mediated between the natural world and human society. The vegetation of a region was an expression of the physical environment, and also a direct influence on Mankind, both materially and spiritually. […] The regional distribution of kinds of vegetation correlates with and is, to some extent, a cause of differences in aesthetic sensibility and moral development between races and cultures.“

147 Humboldt 1845, Bd. I, 318.

148 Vgl. hierzu auch Nassar 2014, 298 f.

149 Humboldt 1845, Bd. I, 84.

150 Ibid., 85.

151 Vgl. Pinsdorf 2016, 57 ff. sowie Schmied-Kowarzik 1985, 386: „Die Gestalt des bewußten Produzierens kann sich absondern von der Natur, kann von sich glauben, daß sie nichts mit dem bewußtlosen Produzieren der Natur gemein habe, kann sich einbilden, daß sie absolute Gewalt über ihre eigene in Bewußtsein und Wollen selbst erzeugte Welt habe. Dies geschieht überall dort, wo das wollende Bewußtsein und bewußte Produzieren des Menschen sich absolut setzt und die Natur, durch die es hervorgebracht wurde und die es weiterhin trägt, verleugnet, so daß die Natur nur noch als Material des eigenen Wissens und Wollens betrachtet und behandelt wird.“

152 Schelling 1809, Bd. VII, 390 f.

153 Schelling 1806, Bd. VII, 18.

154 Ibid., 62.

155 Vgl. Schelling 1797, Bd. II, 13; Pinsdorf 2016.

156 Humboldt 1849, Bd. II, 98.

157 Humboldt 1845, Bd. I, 37. Vgl. hierzu auch Meyer-Abich 1968, 22.

158 Humboldt 1982, 313. Für das Aufspüren dieses Zitats und die freundliche Auskunft über dessen Fundstelle danke ich Andrea Wulf.

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